Sie stecken fast überall. Im neuen Laptop ebenso wie im saftigen Stück Grillfleisch; in der Plastikverpackung aus dem Supermarkt gleichermaßen wie in jedem gefahrenen Pkw-Kilometer; und auch die meisten Dienstleistungen, die wir in Anspruch nehmen, kommen bislang nicht ohne sie aus. Die Rede ist von den Treibhausgasemissionen, die bei Herstellung, Transport oder Verwendung von Produkten aller Art entstehen. Sie zu reduzieren, so wird regelmäßig betont, sei Aufgabe jedes Einzelnen. Doch wie groß ist der Hebel tatsächlich, den der Durchschnittsbürger besitzt, um den Hitzetrend zu stoppen? Wie viel kann mit guten Ideen und dem Willen einzelner Initiativen bewegt werden?
Auf den ersten Blick eine ganze Menge. Denn in letzter Konsequenz dient das Verbrennen fossiler Ressourcen nur einem Zweck: den Konsum zu befriedigen, und Konsumenten sind wir alle. Jede Ware, jede Dienstleistung trägt nach dieser Sichtweise einen virtuellen CO2-Rucksack, ob voll oder fast leer. Der Verbraucher entscheidet, was er in Anspruch nimmt – und was eben nicht. Seit Jahren sind private Initiativen, die zum Energiesparen oder zu bewussterem Konsum aufrufen und sich teils über Social Media vernetzen, stark im Kommen.
Wie viel CO2 jeder schultert
Der Grazer Umweltökonom Karl Steininger hat mithilfe internationaler Datenbanken berechnet, wie schwer der konsumbasierte Treibhausgasrucksack für den durchschnittlichen Österreicher tatsächlich ausfällt. Demnach schultert jeder von uns im Schnitt rund 15 Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr. „Rechnet man die Emissionen aus Firmeninvestitionen und aus dem öffentlichen Konsum weg, bleiben immer noch jährlich rund 10,7 Tonnen, die dem Einzelnen über sein direktes Konsumverhalten zugeschlagen werden können“, sagt Steininger. Zumindest theoretisch.
In der Praxis aber stehen Einzelkämpfer – ob Privatpersonen, kleine Betriebe oder Gemeinden – nicht selten vor großen Problemen, wenn es darum geht, den Klimaschutz konsequent zu leben. „Wenn fast alle Strukturen um uns herum fossil aufgebaut sind, stößt man mit dem eigenen Verhalten rasch an schwer überwindbare Grenzen“, beschreibt es Steininger. So entfällt etwa ein knappes Drittel der Pro-Kopf-Emissionen auf den Bereich Wohnen (siehe Faktenbox oben). Doch wer nicht selbst Besitzer des Wohnraums ist, hat wenig Einfluss auf Faktoren wie das verwendete Heizsystem.
Auch beim Alltagskonsum, der sich in der Rechnung mit 6,4 Tonnen CO2 pro Kopf zu Buche schlägt, sind die persönlichen Handlungsspielräume oft enger als vorher vielleicht angenommen. „Wir wissen zwar zum Beispiel, dass es ökologisch sinnvoll ist, weniger Fleisch zu essen. Aber in vielen Fällen fehlen uns die Informationen darüber, welche Produkte nun wie stark zum Klimawandel beitragen und welche Kosten eine Umstellung verursachen würde“, sagt Steininger. So bleiben viele in althergebrachten Verhaltensweisen hängen.
Nicht selten fehlen die Alternativen überhaupt. Guter Willen zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel hilft wenig, wenn eine Pendlerstrecke keine klimaschonendere Variante als den herkömmlichen Pkw bietet. „Um solche Probleme zu beheben, sind die öffentliche Infrastruktur und die Raumordnung gefordert“, sagt der Ökonom. Ohne die entsprechenden politischen Begleitmaßnahmen ist eine vollkommene CO2-Reduktion also aussichtslos.
Wie der Lockdown wirkte
Dass das so ist, zeigen auch die Pandemie-Erfahrungen aus dem Vorjahr. Am 7. April 2020 zeigten die Lockdowns weltweit die größten Auswirkungen. Auf den Straßen bewegte sich wenig, in zahlreichen Staaten stand das öffentliche Leben still – kurz: Die plötzliche Verhaltensänderung war gewaltig. Die globalen Treibhausgasemissionen sanken an diesem Tag allerdings um nur 17 Prozent ab, wie nachträgliche Berechnungen zeigten. Forscher führen das auf die immer noch große Menge an strukturbedingten Emissionen zurück, vom weiten Bereich der Industrie bis hin zur Lebensmittelproduktion und zum Gütertransport. Das rasch zu ändern, ist ohne politische Vorgaben kaum möglich. „Solange wir aber wie jetzt Politiker haben, die nur machen, was mit Blick auf die Umfragewerte möglich ist, und nicht möglich machen, was nötig wäre, bleiben wir auf die Initiative Einzelner angewiesen“, sagt Steininger.
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Vergebens sind diese Bemühungen keineswegs, Forscher halten sie für unverzichtbar. Gefordert wären dabei vor allem Besserverdienende. Diese nutzen in der Regel zwar von Haus aus effizientere Technik oder kaufen öfter Bio-Lebensmittel. Doch gleichzeitig konsumieren sie viel größere Mengen. Die zehn Prozent Österreicher mit dem höchsten Einkommen verursachen laut Steiningers Berechnungen pro Kopf jährlich 14 Tonnen CO2, die ärmsten zehn Prozent nur sechs Tonnen. Nur jeder sechste Österreicher steigt öfter als ein Mal jährlich ins Flugzeug, ein Drittel fliegt nie.
Wer Geld hat, kann sich Klimaschutz demnach nicht nur eher leisten, sondern hat auch größeren Handlungsbedarf. „In Bereichen, in denen eine Reduktion kaum möglich ist, wären dann die politischen Entscheidungsträger in die Verantwortung zu ziehen“, sagt Steininger. „Und zwar direkt von den Bürgern.“ So gesehen ist die Macht des Einzelnen größer, als mancher angenommen hätte.