Die Untertanen haben in den vergangenen Jahren schon häufiger einen Vorgeschmack auf ihre Zukunft unter König Charles erhalten. Zum Auftakt der Weltklimakonferenz COP26 übernimmt der am längsten wartende Thronfolger Großbritanniens nun auch im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit die Aufgaben des Staatsoberhauptes; seine „erschöpfte“ Mutter Elizabeth II, 95, musste ihre Teilnahme an diversen Empfängen und Galadiners in Glasgow diese Woche absagen. Unverkennbar rückt die Wachablösung im britischen Königshaus näher.
Kaum eine Aufgabe erscheint Prinz Charles Philip Arthur George besser auf den Leib geschneidert als die Gastgeberrolle einer globalen Zusammenkunft, die dem Erhalt des Planeten gewidmet ist. Umweltschutz, Nachhaltigkeit und der Einsatz gegen den Klimawandel beschäftigen den mittlerweile 72-Jährigen seit Jahrzehnten – auch schon zu Zeiten, als diese Themen noch keineswegs im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit standen, ja als Spleens eines adeligen Exzentrikers verlacht wurden. „Da war er seiner Zeit weit voraus“, resümierte kürzlich Prinz William; die Nummer Zwei der Thronfolge hat vom Vater das Engagement für die rasche Entkarbonisierung der Weltwirtschaft geerbt.
Das Lob hat Charles – seit dem Tod seines 99-jährigen Vaters Philip trägt der Prinz von Wales zusätzlich den Titel des Herzogs von Edinburgh – gewiss gern gehört. Tatsächlich habe er in den letzten 40 Jahren immer wieder versucht, konkrete Projekte anzuregen, vertraute Charles kürzlich der BBC an: „Denn das Problem ist, Dinge in Gang zu bringen.“
Spaß mit der Enkelschar
Längst lebt der Prinz, was die Medienaufmerksamkeit angeht, im Schatten seiner Söhne William und Harry sowie deren Frauen Catherine und Meghan und zunehmend auch der mittlerweile fünfköpfigen Enkelschar. Wenn er mit diesen zusammentrifft, soll der rüstige Herr im Pensionsalter Beobachtern zufolge gern zu allerlei Späßen und robusten Spielen aufgelegt sein – so wie er auch in Abgrenzung zur kühlen Herangehensweise seiner Eltern viel Zeit mit den eigenen Söhnen verbrachte. Die bekamen, wie sie der BBC berichteten, schon früh eine Vorstellung von aktivem Umweltschutz: Bei Ferienaufenthalten habe der Vater sie gern zum Müllaufsammeln am Strand abkommandiert. „Wir fanden das völlig normal“, berichtet William – so normal, dass der 39-Jährige mit seinem ältesten Sohn George, 8, ähnliche Anstrengungen unternimmt.
Er will den Thron besteigen
Das Gerede davon, die Institution könne einfach eine Generation überspringen und Charles zu Williams Gunsten auf den Thron verzichten, ist längst verstummt. Beide haben unmissverständlich klargemacht: Am Prinzip der Erbmonarchie wird nicht gerüttelt. Für den tiefreligiösen Thronfolger besteht kein Zweifel: Die Nachfolge seiner Mutter ist die ihm zustehende, ja von Gott gewollte Aufgabe.
Der schottische Theologe Ian Bradley hat seine Beobachtungen des Thronfolgers einmal so zusammengefasst: "Viele der Reden und Gespräche dieses sorgenvollen Mannes drehen sich um die Auflösung der modernen Welt und um die Notwendigkeit, ihr eine neue Ordnung und Balance zu geben.” Während die Königin eine gemäßigte Konservative sei, stecke im Prinzen ein „radikaler Grüner“, urteilte vor Jahren das Wirtschaftsmagazin „Economist“.
Wie aber den Umwelt- und Klimaschutz im Bewusstsein der Bevölkerung verankern? Welche Rhetorik durchbricht die Mauer der Gleichgültigkeit, ohne sich den Vorwurf des Alarmismus zuzuziehen? Mit letzterem Vorwurf sah sich der Thronfolger über die Jahre immer wieder konfrontiert, zuletzt zur Monatsmitte, als die BBC ihr längeres Gespräch mit dem Öko-Prinzen ausstrahlte. Die Welt müsse jetzt im Kampf gegen den Klimawandel vorankommen, sonst drohe eine Katastrophe: „Denn den Stress, der durch die Wetterextreme erzeugt wird, kann die Natur nicht überleben.“
Daraus spricht gewiss die tiefe Überzeugung eines weitgereisten Aktivisten. Durch seine Besuche in Mitgliedsländern des Commonwealth, darunter viele kleine und kleinste Entwicklungsländer des globalen Südens, hat der Vielflieger nicht nur zur Belastung des Planeten beigetragen; so genau wie kaum jemand anders, abgesehen vielleicht von seiner Mutter, kennt der Anwärter auf die Krone Großbritanniens sowie 15 weiterer früherer Kolonien von Australien bis Jamaika die weltweiten Auswirkungen der Klimakrise.
Ob die Beschwörungen der ökologischen Katastrophe aber hilfreich sind zur Mobilisierung einer Gegenbewegung oder doch eher lähmend wirken? Bereits anlässlich des 70. Geburtstages vor zwei Jahren mahnte sein jüngerer Sohn Harry, mittlerweile mit Frau und zwei Kindern in Kalifornien lebend, den Vater zu größerem Frohsinn: „Er sollte optimistisch bleiben. Es ist so leicht, mutlos zu werden.“ Tatsächlich liegt darin vielleicht die größte Herausforderung für den als grüblerisch beschriebenen Mann – und für die Menschheit insgesamt.