Italiens lange Zeit meistgesuchter Mafiaboss Matteo Messina Denaro ist tot. Der 61-Jährige starb in einer Gefängnisklinik in der mittelitalienischen Stadt L'Aquila an den Folgen einer Krebserkrankung. Der Boss der sizilianischen Cosa Nostra war nach drei Jahrzehnten auf der Flucht erst Mitte Jänner verhaftet worden. Nach seinem Tod wird in Italien über seine möglichen Nachfolger spekuliert.

Erben bereit für Nachfolge

Eine Reihe prominenter Paten der sizilianischen Mafia seien bereit, Messina Denaro zu beerben und die Führung der Cosa Nostra zu übernehmen, behaupten Anti-Mafia-Experten. Ein "Zusammenschluss" zwischen den herrschenden Clans sei durchaus möglich, heißt es in Justizkreisen. Zu den Bossen, die Messina Denaros Zepter erben könnten, zählt der 70-jährige Stefano Fidanzati aus der bekannten Drogenhändlerfamilie Fidanzati dell'Arenella sowie der im vergangenen Jahr untergetauchte Boss Giuseppe Auteri, behaupten die Ermittler.

Mit der Debatte um Messina Denaros Nachfolge stellt sich auch die Frage, ob eine einzelne Führungsfigur angesichts der Neuausrichtung der Clans noch zeitgemäß ist. Denn diese haben sich längst auf die Infiltration in Politik, Verwaltung und Wirtschaft verlegt und handeln meist anonym. Das könnte bedeuten, dass Messina Denaro, der als der "Unsichtbare" galt, das letzte bekannte Gesicht der Cosa Nostra gewesen sein könnte. Seine Festnahme im vergangenen Jänner und sein Tod markieren den Strukturwandel der Mafia, mit dem der Kampf gegen sie noch schwieriger werde könnte.

Ende einer Epoche

Mit dem Tod Messina Denaros geht eine Epoche zu Ende, behaupten Anti-Mafia-Experten. "Er war der Bezugspunkt der alten, traditionsreichen Clans mit starker lokaler Verankerung in den sizilianischen Provinzen. Dies bedeutet aber nicht, dass die Mafia in Italien besiegt ist. Sie bewegt sich auf andere Weise, vor allem durch das Eindringen in die Wirtschaft", erklärte Professor Enzo Ciconte, Ex -Parlamentarier und Anti-Mafia-Experte. Die Cosa Nostra bekomme immer mehr die Konkurrenz der 'Ndrangheta, der Mafia der süditalienischen Region Kalabrien, zu spüren, die aggressiver und weltweit verbreitet ist. Sie macht Geschäfte in Milliardenhöhe mit Drogen- und Waffenhandel. Die Einnahmen dieses Geschäfts werden in die legale Wirtschaft investiert.

Der 61-jährige Messina Denaro war nach drei Jahrzehnten auf der Flucht erst Mitte Jänner verhaftet worden. Damals wollte er sich in Siziliens Hauptstadt Palermo wegen seiner Darmkrebs-Erkrankung unter falschem Namen in einer Privatklinik behandeln lassen. Der Gesundheitszustand des Verbrechers hatte sich in den vergangenen Tagen drastisch verschlechtert. Am Freitagabend gaben die behandelnden Ärzte bekannt, dass Messina Denaro in ein irreversibles Koma gefallen sei, aus dem er nicht mehr aufwachen werde. Auf seinen eigenen Wunsch seien lebenserhaltende Maßnahmen eingestellt worden.

Schwere Schuld auf sich geladen

Als Mitglied der Cosa Nostra soll Messina Denaro Dutzende Morde begangen oder organisiert haben - auch die tödlichen Bombenanschläge auf die Mafiajäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino, die 1992 weltweit Schlagzeilen machten. Seit seiner Verhaftung musste er sich zwei Operationen unterziehen, der letzten im August. Außerdem bekam er eine Chemotherapie. Die Familie konnte nach italienischen Medienberichten in den vergangenen Tagen von ihm Abschied nehmen.