Noch immer herrscht großes Rätselraten im Falle des US-Soldaten Travis King. Im Juli hatte der 23-Jährige aus unbekannten Gründen die Grenze von Südkorea nach Nordkorea überquert. Seitdem sitzt er in Nordkorea in Haft. Die Behörden des autoritär regierten Staates wollen nun die Beweggründe herausgefunden haben. Die Ermittlungsergebnisse hätten ergeben, dass King "Verbitterung über die unmenschliche Behandlung und rassistische Diskriminierung innerhalb der US-Armee hegt", so die staatliche Nachrichtenagentur KCNA. Er sei von der ungleichen amerikanischen Gesellschaft desillusioniert. Daher habe er in Nordkorea Zuflucht suchen wollen.
Unklar ist, ob diese Aussagen der Realität entsprechen oder ob Nordkorea tief in die Propagandakiste gegriffen hat. Denn die angeblichen Ermittlungsergebnisse entsprechen durchaus dem nordkoreanischen Narrativ, laut dem der Erzfeind Amerika stets als böse und unmenschlich dargestellt wird. Auf der anderen Seite berichtete Kings Onkel Myron Gates US-Medien, dass sein Neffe, der im Jänner 2021 dem US-Militär beigetreten ist, als Afroamerikaner immer wieder Rassismus bei der US-Armee erlebt habe.
Flucht vor Rückkehr in die USA
Zuletzt war King bei der First Armored Division in Südkorea eingesetzt. Wegen Körperverletzung und der Zerstörung eines Polizeiautos saß er zwei Monate lang in einem Gefängnis in Südkorea. Danach sollte er zurück in die USA, wo ihn weitere disziplinarische Maßnahmen erwartet hätten. Doch King stieg nie in das Flugzeug. Beamten eskortierten ihn bis zur Sicherheitskontrolle. Dort gelang es King, unbemerkt das Flughafengelände zu verlassen. Am Tag darauf nahm er an einer kommerziellen Grenzführung für Touristen teil, wo er sich von der Gruppe absetzte und die Grenze zu Nordkorea überquerte. King ist seit fünf Jahren der erste US-Amerikaner, der in Nordkorea verhaftet wurde. Washington bemüht sich derzeit um seine Rückholung in die USA.
Katharina Feigl