Als "Sache, die so bekannt geworden ist, einen solchen Status erreicht hat, dass sich bereits zahlreiche Legenden um sie gebildet haben" beschreibt der Duden einen Mythos. Genau das, ein Mythos, ist "Nessie". Die ersten Berichte von Sichtungen gab es im 6. Jahrhundert, bis zum heutigen Tag lebt die Legende rund um ein mysteriöses Fabelwesen im riesigen Süßwassersee Loch Ness in den schottischen Highlands (siehe Infobox).

Große Suche am 26. und 27. August

Am letzten August-Wochenende soll ein vor allem über Facebook rekrutiertes Heer aus Freiwilligen dem Phantom auf die Schliche kommen: Hinter der Aktion ("Wenn Sie beitreten, haben Sie eine echte Chance, persönlich zur Lösung dieses faszinierenden Geheimnisses beizutragen!") steckt "Loch Ness Exploration" (LNE). 

Alan McKenna, Mitglied des ehrenamtlichen Forschungsteams, erklärt gegenüber der Kleinen Zeitung das größte "Nessie-Schauen" seit gut 50 Jahren: "Wir hoffen, eine neue Generation von Loch-Ness-Enthusiasten inspirieren zu können. Trotz des Mangels an schlüssigen Beweisen berichten Einheimische oder Gäste, dass sie etwas Seltsames gesehen haben, und es ist unsere Aufgabe, diesen Berichten und Behauptungen nachzugehen."

"Ich glaube, da ist etwas"

Glaubt McKenna selbst an "Nessies" Existenz? "Ich glaube, da ist etwas, aber ich weiß nicht, was." Er selbst ist auch vom Ökosystem des Sees gebannt. Es gehe auch darum, Naturphänomene zu dokumentieren: "'Nessie'-Enthusiasten sollten sehen, dass die meisten Sichtungen erklärt und auf Naturphänomene zurückgeführt werden können. Ein Phänomen sind 'stehende Wellen' – ebenso schwer fassbar wie 'Nessie'."


Beim Einsatz moderner Technik wird am 26. und 27. August nicht gespart: Erstmals werden Drohnen mit Wärmebildkameras über dem See patrouillieren, Boote suchen mit Unterwassermikrofonen. Hunderte Freiwillige werden an "spezifischen" Punkten rund um den See postiert. "Es geht um Geduld und Entschlossenheit", so McKenna. "Die Suche wird niemals aufhören. Ich werde Skeptiker niemals mit meinen Ansichten bombardieren. Aber es gibt noch unerledigte Dinge hier." Gegenüber dem "Inverness Courier" betonte er: "Wir erfassen, untersuchen und analysieren alle Arten von natürlichem Verhalten und Verhalten, das möglicherweise schwieriger zu erklären ist." Das "bringe Skeptiker und Gläubige zusammen".

Was verbirgt sich in den Tiefen des Loch Ness?
Was verbirgt sich in den Tiefen des Loch Ness? © (c) AP

Bereits in den 1970er- und 1980er-, aber auch in den 2000er-Jahren gab es etliche Versuche, "Nessie" ausfindig zu machen: 1986 und 1987 etwa rückte Operation "Deepscan" mit 20 Schiffen samt Sonarausrüstung aus. Mit einem relativ geschlossenen Schallvorhang wurde der See fast auf gesamter Länge durchkämmt. Nach Aussortieren aller trügerischen Sonar-Echos blieben drei mögliche "Kontakte": Diese ließen sich nicht klar mit bekannten physikalischen Phänomenen oder Fischschwärmen erklären. Anderseits waren sie in den Augen (und Ohren) der Forscher aber auch nicht als Indiz für die Existenz eines Wesens zu werten, weil zu unspezifisch. Traditionell wird "Nessie" als angeblicher (und vor Urzeiten ausgestorbener) Plesiosaurier mit bis zu 20 Metern Länge beschrieben.

Dieses Bild aus dem Jahr 2019 wurde mittlerweile als "Hoax" entlarvt
Dieses Bild aus dem Jahr 2019 wurde mittlerweile als "Hoax" entlarvt © (c) imago images/Cover-Images

Forscher halten die Theorie, wonach das Monster von Loch Ness ein lebendes Relikt des Mesozoikums sei, allerdings für, vorsichtig gesagt, unwahrscheinlich. Plausibler wären etwa große Störe, Riesenaale oder treibende Baumstämme. Gefälschte Fotos gab es über die Jahrzehnte zuhauf – einmal war es ein Labrador mit einem Stock im Maul, ein anderes Mal eine Plastikfigur mit einem Spielzeug-U-Boot als Untersatz.

"Irgendetwas wird entdeckt werden"

Steve Feltham, der als "Weltmeister" im Nessie-Suchen gilt, gibt sich indes optimistisch: "Irgendetwas wird entdeckt werden, das die kurzen Sichtungen und die häufigen Sonar-Anschläge erklärt." Sehr konkret kommt das auffällig langlebige Fabelwesen Nessie allerdings dem örtlichen Tourismus zugute. So schön die Landschaft rund um Loch Ness ist: Ohne Mythenbildung wäre wohl nur ein Bruchteil der Touristen in der Gegend rund um die Stadt Inverness zugegen. Dass das "Loch-Ness-Zentrum" im Ort Dromnadrochit am Westufer des Sees gerade frisch hergerichtet wurde: Zufall?

Und falls man Nessie tatsächlich einmal habhaft wird? Schon seit den 1930er-Jahren gibt es in Großbritannien übrigens ein Gesetz, das das Ungeheuer von Loch Ness unter speziellen Naturschutz stellt – nur für den Fall, dass es das Phantom wirklich geben sollte. Zumindest William Fraser, einst Polizeichef der Grafschaft Inverness-shire, hatte hier keine Zweifel mehr: 1938 schrieb er in einem Brief an das Schottland-Ministerium der Regierung in London: "Dass es in Loch Ness eine seltsame Kreatur gibt, scheint jetzt außer Zweifel." Nun, man wird sehen. Oder auch nicht.