Heute vor 25 Jahren, am 10. April 1998, beendete das Karfreitagsabkommen den Bürgerkrieg in Nordirland. Die jahrzehntelangen Konfliktparteien übten den Frieden: katholische Befürworter einer Vereinigung der beiden Teile Irlands auf der einen – überwiegend protestantische Anhänger der Union mit Großbritannien, Polizei und britische Armee auf der anderen Seite. Der Blutzoll von 1968 bis 1998 war verheerend: Etwa 3700 Menschen starben in dem Konflikt, insgesamt 47.000 wurden verletzt.

"Reformbedürftiges Abkommen"

Melanie Sully, britische Politologin, spricht im Interview von einem "reformbedürftigen Abkommen". Bereits in den verschiedenen Bezeichnungen des historischen Übereinkommens zeige sich die nach wie vor vorhandene Kluft: "Die Unionisten sagen 'Belfast Agreement', die Nationalisten bevorzugen 'Good Friday Agreement'. Wenn man z. B. eine Grenzstadt besucht, liest man dort am Bahnhof 'Derry/Londonderry'." Sully: "Das Karfreitagsabkommen hat zwei Kerne: Garantien für die territoriale Integrität mit Großbritannien und eine Anerkennung des Rechts Irland auf Wiedervereinigung – sofern es eine Mehrheit gäbe."



Natürlich, es gibt spürbare Fortschritte seit dem 10. April 1998, allerdings auch Probleme, nicht zuletzt formaler Art: Unionisten und Nationalisten können einander blockieren, betont die Politologin. Die Vereinbarung zur Machtteilung zwischen den wichtigsten Parteien der konfessionellen Gruppen in den vergangenen 25 Jahren häufiger ausgesetzt gewesen sei, als sie funktioniert habe.

"Leben noch in getrennten Welten"

"Auch aktuell gibt es keine funktionsfähige Regionalregierung", bestätigt Friedensforscher John Brewer von der Queen's University Belfast. "Wir töten, beschießen und bombardieren uns nicht mehr gegenseitig. Aber wir leben noch in ziemlich getrennten Welten", sagt der Soziologie-Professor und führt Ehen und Wohngebiete als Beispiele an. Es krankt an der Konsolidierung des Friedens, es ist Eintracht unter Vorbehalten. Der zähe und erst jüngst beigelegte Disput um Post-Brexit-Regeln für Nordirland trug dazu bei: Der Frieden ist im Dauer-Stresstest.



Nordirlands Polizei warnt vor dem Jahrestag konkret vor neuer Gewalt: Es gebe Hinweise, dass rund um für den Ostermontag geplante Veranstaltungen in Londonderry Angriffe auf Polizisten verübt werden könnten. Auch der britische Inlandsgeheimdienst MI5 hat jüngst die Terrorwarnstufe angehoben. Seit 1998 gab es 155 politische Morde - zuletzt traf es die Journalistin Lyra McKee. Morgen wird US-Präsident Joe Biden zum Jubiläum in Belfast bzw. in der britischen Provinz weilen - von 12. bis 14. April wird er dann vom EU-Mitglied Irland erwartet.

Er erwähnt regelmäßig und nicht ohne Stolz seine eigenen irischen Wurzeln.