Der mit Eis bedeckte Kontinent der Antarktis hält 90 Prozent des Eises der Welt. Lange Zeit schien der Klimawandel mehr Schaden auf der nördlichen Hemisphäre in der Arktis anzurichten, doch nun machen sich die Auswirkungen immer deutlicher auch in der Antarktis bemerkbar.

Am 21. Februar sank das Meereis in der Antarktis laut dem US-amerikanischen National Snow and Ice Data Center (NSIDC) auf 1,79 Millionen Quadratkilometer, ein Rekordtief, seit die Satellitenaufzeichnung 1979 begann. Auch im vergangenen Februar war bereits ein Tiefststand verzeichnet worden. Damals waren jedoch noch 136.000 Quadratkilometer mehr mit Eis bedeckt – eine Fläche mehr als dreimal so groß wie die Schweiz. Ähnlich beunruhigende Daten meldeten auch die Experten vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI). Ihre Messungen um den 19. Februar 2023 ergaben eine Meereisfläche im Südlichen Ozean, die auf rund zwei Millionen Quadratkilometer geschrumpft war.

Meereis verringert sich seit 2016

"Während die Masse des antarktischen Eisschildes seit Langem abnimmt, nimmt die antarktische Meereisausdehnung seit 2016 stark ab", erklärte Marta Moreno Ibáñez, eine Doktorandin der kanadischen Université du Québec à Montréal (UQAM), in einem Fachartikel im akademischen Magazin "The Conversation". Dem Meereis kommt insofern eine wichtige Bedeutung zu, da es normalerweise das Schelfeis auf ähnliche Weise stabilisiert, wie das Schelfeis die Eisdecke an Land stabilisiert. Weniger Meereis macht die Eisschelfe anfällig für Wellen und andere atmosphärische Einflüsse. Würde beispielsweise der westantarktische Eisschild vollständig abschmelzen, so würde dies laut der Klimaforscherin zu einem globalen Meeresspiegelanstieg von über drei Meter führen.

"Die Antarktis mag abgelegen erscheinen, aber Veränderungen in der Umgebung können das globale Klima beeinflussen", betonte auch Ariaan Purich, eine Klimawissenschaftlerin der Monash University in Melbourne, gegenüber der australischen Ausgabe des "Guardian". "Jeder sollte sich Sorgen darüber machen, was in der Antarktis passiert." Noch ist es zu früh zu sagen, ob ein Trend dahinter steckt. Mitte Februar 2017 war die Meereisbedeckung laut NSIDC beispielsweise schon mal auf 2,287 Millionen Quadratkilometer gesunken. Doch einen sehr ähnlichen Tiefstand hatte man auch im Februar 1997 schon mal gemessen. 1997 lagen gerade mal 18 Jahre an Satellitendaten vor.

Angst vor dem Dominoeffekt

Bekannt ist, dass vor 129.000 Jahren eine Eisschmelze in der Antarktis schon einmal einen extremen Anstieg des Meeresspiegels verursacht hat. Seit 1900 sind die Meere weltweit um rund 20 Zentimeter gestiegen. Doch der Anstieg beschleunigt sich immer mehr: Ein Viertel davon ist seit 2006 passiert. In der jüngeren Vergangenheit stieg der Meeresspiegel durchschnittlich jedes Jahr um etwa 3,7 Millimeter. Bis 2100 rechnen Wissenschaftler mit einem Anstieg von mindestens 28 Zentimeter, doch je nachdem, wie viel Eis abschmilzt, könnte der Meeresspiegel auch um bis zu zwei Meter oder mehr in die Höhe schnellen.

Vor allem, wenn Gletscher wie der Pine Island oder der Thwaites kollabieren würden, könnte dies eine Art Dominoeffekt auslösen. Der Thwaites-Gletscher ist mit 192.000 Quadratkilometern fast so groß wie Großbritannien. Würde das dortige Eisschelf einbrechen, würde der Meeresspiegel global um etwa 65 Zentimeter ansteigen. Zudem stabilisiert der Gletscher auch den gesamten westantarktischen Eisschild, dessen Einsturz die erwähnte Erhöhung des Meeresspiegels um drei Meter verursachen würde.

So viel Schaden richtet der Mensch an

Der Rückgang des Meereises lässt sich laut einer im Fachmagazin "Nature Geoscience" veröffentlichten Studie aus dem Jahr 2019 mit einer Verschiebung der Windmuster erklären, die die globale Erwärmung ausgelöst hat. Sie führt letztendlich dazu, dass mehr warmes Meerwasser mit dem Eis in der antarktischen Region in Kontakt kommt. Der Mensch entpuppt sich für die Region aber auch als ein direktes schädliches Element. Denn in den Sommermonaten auf der Südhalbkugel strömen oft mehrere Zehntausend Touristen und Wissenschaftler mit Booten und Flugzeugen in Richtung Antarktis. Noch vor der Pandemie – in der Saison 2019/20 – besuchten 74.000 Menschen den Kontinent aus Eis. Die überwiegende Mehrheit reiste dabei per Schiff an. Laut einer Analyse, die im akademischen Magazin "The Conversation" vorgestellt wurde, war jeder Besucher zwischen 2016 und 2020 damit effektiv für die Schmelze von etwa 83 Tonnen Schnee verantwortlich. Die schlimmsten "Übeltäter" seien dabei die Emissionen von Kreuzfahrtschiffen, hieß es.

Neben den Touristen bevölkern aber auch mehrere Tausend Wissenschaftler die Antarktis. Insgesamt befinden sich mehr als 70 Forschungsstationen auf dem Kontinent. Proben in der Nähe dieser menschlichen Siedlungen wiesen beispielsweise einen Rußgehalt auf, der weit über den typischen antarktischen Werten lag und damit ein klares Zeichen menschlicher Emissionen war. Erhöhte Rußwerte beeinflussen beispielsweise, wie Schnee Licht absorbiert, eine Eigenschaft, die als "Albedo" bekannt ist. Schnee mit einer niedrigeren "Albedo" schmilzt schneller. Insofern konnten die Forscher schlussfolgern, dass die Schneeschmelzrate wohl auch aufgrund menschlicher Aktivitäten gestiegen ist.