Im Jahr 2022 sind 57 Journalistinnen und Journalisten bei ihrer Arbeit ums Leben gekommen und damit deutlich mehr als im Vorjahr. 2021 seien es noch 48 gewesen und damit rund ein Fünftel weniger, teilte am Mittwoch die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF) mit. Mitverantwortlich für den Anstieg ist der russische Angriffskrieg in der Ukraine, wo acht Medienschaffende – fünf davon aus dem Ausland – starben.
Mexiko bleibt lebensgefährlich
Das gefährlichste Land war jedoch zum vierten Mal in Folge Mexiko mit heuer elf Toten. In Haiti starben sechs Medienschaffende, wie aus der "Jahresbilanz der Pressefreiheit 2022" hervorgeht. Fast 80 Prozent der 2022 getöteten Medienschaffenden wurden wegen ihres Berufs oder ihrer behandelten Themen gezielt ermordet. Besonders gefährlich sind Kriegsberichterstattung, investigative Recherchen über organisiertes Verbrechen sowie Korruptionsberichterstattung. Der Großteil der getöteten Medienschaffenden ist männlich (88 Prozent), wobei sich der Anteil der getöteten Journalistinnen zwischen den Jahren 2020 und 2022 von vier auf mehr als zwölf Prozent verdreifachte.
Mindestens 533 Journalistinnen und Journalisten saßen am 1. Dezember 2022 im Gefängnis und damit so viele wie noch nie seit Erscheinen der RSF-Jahresbilanzen. Im Vorjahr waren es noch 470. Nur etwas mehr als ein Drittel der inhaftierten Medienschaffenden wurde verurteilt, fast zwei Drittel sitzen ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis. Manche warten laut RSF seit mehr als 20 Jahren auf ihren Prozess. "An der Rekordzahl inhaftierter Medienschaffender sieht man, dass autoritäre Regime immer leichter und öfter Medienschaffende einfach wegsperren können, und sie tun es", so Christin Edlinger von RSF Österreich. Dabei sei jeder Medienschaffende, der "mutig ist, kritisch recherchiert, um die Bevölkerung zu informieren – ein Menschenrecht wohlgemerkt – und dafür unter unmenschlichen Bedingungen in Haft sitzt" einer zu viel, hielt sie in einer Aussendung fest.
China ist nach wie vor jenes Land mit den meisten inhaftierten Journalisten. Hongkong inbegriffen, sitzen dort insgesamt 110 Medienschaffende in Haft. In Myanmar sind es 62 und im Iran 47. Damit hat das Regime im Iran "nur wenige Wochen gebraucht, um sein Land auf dieser Liste auf den dritten Platz zu bringen", hieß es von RSF mit Verweis auf die massiven, landesweiten Proteste im Land. In Russland, wo bei "falschen Informationen" über die russische Armee bis zu 15 Jahre Gefängnis drohen, sind 18 Medienschaffende inhaftiert – darunter acht aus der Ukraine.
Dass gegenwärtig 78 Journalistinnen (knapp unter 15 Prozent aller inhaftierten Medienschaffenden) im Gefängnis sitzen, stellt laut RSF einen "beispiellosen Anstieg" dar. 2019 waren es noch zehn Prozent. Der Anstieg spiegle zwei globale Tendenzen wider: "Zum einen steigt allgemein der Anteil von Frauen im Journalismus, zum anderen bleiben Frauen von Repressionen gegenüber den Medien nicht verschont", so der RSF-Bericht.
Entführt, eingesperrt, getötet
Weltweit sind derzeit mindestens 65 Medienschaffende entführt und damit so viele wie im vergangenen Jahr. Spitzenreiter ist Syrien mit 42 Entführten, gefolgt von dem Irak (11), Jemen (11) und Mali (1). 28 der entführten Journalistinnen und Journalisten werden von Gruppierungen, die dem Islamischen Staat zuzurechnen sind, gefangen gehalten.
RSF veröffentlicht die Jahresbilanz der Pressefreiheit seit 1995. Dokumentiert werden neben der Tötung, Inhaftierung oder Entführung professioneller Journalistinnen und Journalisten auch Medienmitarbeitende wie Kamerafrauen oder Tontechniker sowie Bürgerjournalisten, die in Ländern mit autoritären Regimen und in Kriegsländern eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Nachrichten spielen.
Alle Zahlen beziehen sich auf den Zeitraum von 1. Jänner bis 1. Dezember 2022 oder sind Momentaufnahmen zum Stichtag 1. Dezember.