Im Bürgerkrieg in Syrien sind nach einer neuen Schätzung des UNO-Menschenrechtsbüros zwischen Anfang März 2011 und Ende März 2021 mindestens 306.887 Zivilisten ums Leben gekommen. Die Zahl liege höher als vorherige Schätzungen, berichtete das Büro am Dienstag dem UNO-Menschenrechtsrat in Genf, der die Berechnung in Auftrag gegeben hatte. Damit habe der Konflikt statistisch über zehn Jahre jeden Tag 83 an Kämpfen unbeteiligten Bürgerinnen und Bürgern das Leben gekostet.
Die Zahl entspreche 1,5 Prozent der Bevölkerung Syriens vor Beginn des Konflikts. Zugleich verschärft sich die ohnehin schon dramatische humanitäre Lage in dem Bürgerkriegsland weiter. UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, hatte im September 2021 von insgesamt mehr als 350.000 Opfern des Bürgerkriegs in Syrien gesprochen. In der Zahl enthalten waren zu dem Zeitpunkt gut 143.000 Zivilisten, rund 138.000 Kämpfer und etwa 70.000 Todesfälle, bei denen der Status noch nicht geklärt war.
Das Büro hat nun detaillierte Informationen über 143.350 Todesfälle unter Zivilisten, mit Namen, Todesdatum und Ort. Bei den weiteren Fällen seien fehlende Informationen mithilfe etablierter statistischer Methoden geschätzt und ergänzt worden, sagte eine Sprecherin.
"Diese konfliktbedingten Opferzahlen sind nicht einfach abstrakte Zahlen, sondern stehen für Menschen. Die Tötung jedes einzelnen der 306.887 Zivilistinnen und Zivilisten dürfte tiefgreifende, andauernde Folgen für die Familie und die Gemeinschaft, zu der sie gehörten, gehabt haben", sagte die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Bachelet.
Fast 15 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe
Die Zahl der Opfer dürfte weiter steigen. Nach Angaben des UNO-Nothilfebüros OCHA sind mittlerweile 14,6 Millionen Menschen in Syrien auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das seien so viele wie noch nie seit Beginn der Krise, sagte der UNO-Nothilfekoordinator für Syrien, Imran Riza, in Genf. 90 Prozent der Bevölkerung lebe laut Schätzungen unter der Armutsgrenze. "Die Ernährungsunsicherheit hat ein Rekordniveau erreicht", erklärte er. Riza machte dafür Syriens wirtschaftlichen Niedergang, aber auch "Klimaschocks" mit Hitzewellen verantwortlich. So sei die Wassersituation extrem beunruhigend. Riza warnte, die Lage werde sich weiter verschlechtern.
Der Konflikt in Syrien hatte im Frühjahr 2011 mit Protesten gegen die Regierung von Machthaber Bashar al-Assad begonnen, gegen die die Regierung mit Gewalt vorging. Die Anhänger des Staatschefs kontrollieren mittlerweile wieder rund zwei Drittel des Landes. Eine politische Lösung für den Konflikt ist jedoch nicht in Sicht.