Nach den tödlichen Schüssen in Oslo hat Norwegen die nationale Terrorwarnstufe auf die höchste Stufe angehoben. Die Gefahr einer terroristischen Bedrohung sei "außergewöhnlich" hoch, teilte der norwegische Geheimdienst PST am Samstag mit, wie der Sender NRK berichtete. Behördenchef Roger Berg erklärte, man betrachte die Tat mit zwei Todesopfern und mindestens 21 Verletzten als terroristischen Anschlag. Nun gilt Terrorwarnstufe fünf. Bisher war es Stufe drei.
Der norwegische Geheimdienst PST erklärte, die Tat am Samstag in der Hauptstadt werde als islamistischer Terrorismus eingestuft. Nach Polizeiangaben schoss ein Mann, der später festgenommen wurde, am frühen Morgen auf mehrere Menschen in dem bei Homosexuellen beliebten "London Pub" und auf der Straße davor sowie in einer anderen, nahe gelegenen Bar im Stadtzentrum. Die Polizei sprach von zwei Toten und mehr als 20 Verletzten.
Verdächtiger verhaftet
Als mutmaßlichen Einzeltäter nahm die Polizei nur wenige Minuten später einen 42-jährigen norwegischen Staatsbürger iranischer Herkunft fest. Eine vollautomatische Waffe und eine weitere Schusswaffe wurden am Tatort sichergestellt. Der Tatverdächtige war nach Polizeiangaben bereits mit weniger schweren Gewalttaten in Erscheinung getreten. Der Geheimdienst PST teilte mit, der Mann sei den Behörden seit 2015 wegen des Verdachts bekannt, er sei ein radikalisierter Islamist. Er sei in der Vergangenheit außerdem eine psychische Erkrankung des Mannes festgestellt worden. Die Polizei erklärte, es werde auch untersucht, ob die Pride-Parade der LGBTQ-Community ein Ziel gewesen sei. Die Pride-Parade wurde auf Anraten der Polizei abgesagt.
In der stadtbekannten Schwulenbar, die es seit 1979 gibt, brach nach den Schüssen Panik aus. "Viele Menschen weinten und schrien, auch die Verletzten schrien, die Menschen waren verzweifelt und verängstigt - sehr, sehr verängstigt", sagte ein Augenzeuge. "Mein erster Gedanke war, dass der Pride-Day das Ziel war, und das ist beängstigend". Ein Reporter des öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders NRK sagte, er sei zu Tatzeitpunkt in der Gegend gewesen und habe gesehen, wie ein Mann mit einer Tasche ankam, eine Waffe herausnahm und zu schießen begann: "Dann sah ich, wie Fensterscheiben zu Bruch gingen und begriff, dass ich in Deckung gehen musste."
Hassmotivierte Gewalttat
Ministerpräsident Jonas Gahr Störe sprach von einem "schrecklichen und zutiefst schockierenden Angriff auf unschuldige Menschen". "Wir wissen noch nicht, was hinter dieser schrecklichen Tat steckt, aber den queeren Menschen, die Angst haben und trauern, möchte ich sagen, dass wir mit euch zusammenstehen", sagte er der Nachrichtenagentur NTB. König Harald erklärte, er und die königliche Familie seien erschüttert über den Anschlag. "Wir müssen zusammenstehen und unsere Werte verteidigen: Freiheit, Vielfalt und gegenseitigen Respekt", fügte der 85-jährige Monarch hinzu. Die norwegische Polizei, die normalerweise nicht bewaffnet ist, soll nun bis auf Weiteres vorsichtshalber Waffen tragen.
Die Tat ereignete sich nur wenige Monate, nachdem Norwegen den 50. Jahrestag der Entkriminalisierung von Homosexualität gefeiert hat. Das Land mit 5,4 Millionen Einwohnern hat eine niedrigere Kriminalitätsrate als viele westliche Länder. Allerdings kam es auch schon zu hassmotivierten Gewalttaten. So tötete der Rechtsextremist Anders Behring Breivik im Jahr 2011 77 Menschen in Oslo und bei einem Jugend-Sommerlager der Sozialdemokraten auf der Insel Utöya.
"Sind erschüttert und schockiert"
In einer ersten Reaktion zeigte sich die Außenpolitik- und LGBTIQ-Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, "erschüttert und schockiert". "Meine Gedanken sind bei den Angehörigen der Opfer und der gesamten norwegischen Community", so Ernst-Dziedzic in einer Aussendung. Zugleich drückte sie Bewunderung und Respekt für jene Zivilisten aus, die bei der Festnahme geholfen hatten.
"Unsere Herzen sind bei allen Menschen in Oslo und in der LGBTIQ-Community in ganz Europa, die heute zu dieser furchtbaren Nachricht aufgewacht sind", erklärte SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner am Samstag. Die Berichte aus Oslo würden Erinnerungen an den furchtbaren Angriff auf einen LGBTIQ-Club in Orlando im Pride-Monat 2016 wecken.