Die zwischenzeitlich geflohene Angeklagte im Prozess um NS-Verbrechen im Konzentrationslager Stutthof ist gefasst worden. Die Polizei führe die 96-Jährige dem Gericht vor, sagte eine Sprecherin des Itzehoer Landgerichts am Donnerstag. Zuvor hatte das deutsche Gericht die Fortführung des Prozesses wegen der Abwesenheit der Angeklagten auf den 19. Oktober vertagt. Irmgard F. wird Beihilfe zum Mord in über 11.000 Fällen vorgeworfen.
Als Stenotypistin und Schreibkraft in der Lagerkommandantur des KZ Stutthof bei Danzig, das heute in Polen liegt, soll die Frau zwischen Juni 1943 und April 1945 den Verantwortlichen des Lagers bei der systematischen Tötung von Gefangenen Hilfe geleistet haben. Die 96-Jährige habe ihr Heim in Quickborn (Schleswig-Holstein) in der Früh in unbekannte Richtung verlassen, sagte Gerichtssprecherin Frederike Milhoffer. "Sie hat ein Taxi genommen." Fahrziel sei eine U-Bahn-Station in Norderstedt am Hamburger Stadtrand gewesen.
"Gegen eine ausgebliebene Angeklagte findet die Hauptverhandlung bekanntlich nicht statt", sagte der Vorsitzende Richter Dominik Groß am Donnerstag. Das Gericht gehe selbstverständlich davon aus, dass die Angeklagte beim nächsten Termin dabei sei. "Irgendwie werden wir das schon hinkriegen."
Das Internationale Auschwitz-Komitee hatte sich empört über die Flucht der Angeklagten im NS-Prozess geäußert. "Darin zeigt sich eine unglaubliche Verachtung des Rechtsstaats und auch der Überlebenden", sagte Vize-Exekutivpräsident Christoph Heubner am Donnerstag. Das Komitee vertritt KZ-Überlebende und deren Angehörige.
Im deutschen KZ Stutthof und seinen Nebenlagern sowie auf den sogenannten Todesmärschen zu Kriegsende starben nach Angaben der für die Aufklärung von NS-Verbrechen zuständigen Zentralstelle in Ludwigsburg rund 65.000 Menschen.