Die militant-islamistischen Taliban haben am Mittwoch alle Proteste in Afghanistan verboten. In der ersten offiziellen Erklärung des Innenministeriums nach der Regierungsbildung heißt es, niemand solle derzeit unter allen Umständen versuchen, Proteste zu organisieren. Bei Verstößen wird mit ernsthafter Strafverfolgung gedroht. Als Grund wurde angeführt, dass in den vergangenen Tagen einige Menschen die öffentliche Ordnung gestört und Menschen belästigt hätten.
Zugleich gaben die Islamisten die Bedingungen für Proteste in der Zukunft vor. Demnach müssen Organisatoren im Vorfeld eine Genehmigung des Justizministeriums einholen. Mindestens 24 Stunden vorher müssten der Grund der Demonstration, Ort, Zeit und Slogans Justiz und Sicherheitsbehörden mitgeteilt werden.
Die Taliban hatten in den vergangenen Tagen Demonstrationen mit Gewalt unterdrückt. Außerdem untersagten sie die Berichterstattung über die Proteste in den Medien. Frauen und Männer waren in der Hauptstadt Kabul und mehreren Provinzen unter anderem für Frauenrechte und Freiheit auf die Straße gegangen.
Westliche Staaten äußerten sich indes zurückhaltend zur neuen Taliban-Regierung in Afghanistan. Die von den Taliban angestrebte internationale Legitimität müssten die Islamisten sich durch ihr Handeln verdienen, sagte US-Außenminister Antony Blinken am Mittwoch auf der US-Luftwaffenbasis im rheinland-pfälzischen Ramstein. "Unserer Meinung nach kann sie nicht schnell verdient werden, sie kann nicht durch Worte allein verdient werden." Der deutsche Außenminister Heiko Maas sagte zu einer möglichen Anerkennung: "Um die wird es nicht gehen, die sehe ich auch nicht im Moment." Allerdings sprach er sich dafür aus, die Gespräche mit den Taliban fortzusetzen. Auch Großbritannien hätte sich mehr Diversität in der Regierung gewünscht, wie ein britischer Regierungssprecher in London mitteilte. "Wir werden die Taliban weiterhin an ihren Taten messen."
"Auch Russland und Indien erklärten Regierungskreisen zufolge in gemeinsamen Beratungen, die Taliban müssten sich an ihre Zusagen halten. Die in Afghanistan operierenden ausländischen Gruppen seien eine Gefahr für die gesamte Region. China betrachte die Einsetzung einer neuen Regierung als notwendigen Schritt zum Wiederaufbau Afghanistans, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking.
Der Widerstand gegen die Taliban im Panjshir-Tal ist nach Angaben des afghanischen Botschafters in Tadschikistan unterdessen nicht gebrochen. Reste der afghanischen Armee und Milizen setzten die Kämpfe gegen die Taliban fort, sagte der Gesandte der früheren Regierung, Sahir Aghbar, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Duschanbe. Er widersprach auch Angaben der Taliban, der Anführer der afghanischen Tadschiken, Ahmad Massoud, und der ehemalige Vizepräsident Amrullah Saleh seien ins benachbarte Tadschikistan geflohen. Beide seien im Panjshir-Tal. "Ich bin in permanenten Kontakt mit Amrullah Saleh", sagte der Botschafter. Massoud und Saleh würden sich aus Sicherheitsgründen nicht selbst an die Öffentlichkeit wenden.
Die Taliban hatten am Montag erklärt, das Panjshir-Tal unter ihre Kontrolle gebracht zu haben. Massouds Vater war während der ersten Herrschaftsperiode der Taliban 1996 - 2001 der einzige Oppositionsführer, der eine Eroberung seines Heimatgebietes abwehren konnte.