Kurz vor dem Jahrestag des verheerenden Brandes im griechischen Flüchtlingslager Moria machen zahlreiche Hilfsorganisationen auf die weiterhin "katastrophalen" Umstände in dem provisorischen Camp aufmerksam. Die Lebensbedingungen seien "so schlimm wie eh und je", so Oxfam am Mittwoch in einer Aussendung. Der Dachverband Europe must act (EMA) kritisierte vor allem die neuen Flüchtlingszentren auf den Inseln und die "schädliche Politik" der griechischen Regierung.

Seit dem Brand in Moria auf der Insel Lesbos lebten tausende Menschen, unter ihnen viele Kinder und Familien, unter katastrophalen Umständen im provisorischen Flüchtlingslager Kara Tepe II (Mavrovouni). "Genauso provisorisch und katastrophal ist aktuell die europäische Asylpolitik, die es seit Jahren nicht schafft, einen gemeinsamen Weg zu gehen und vor allem menschen- und kinderrechtskonforme Zustände herzustellen", bemängelte SOS-Kinderdorf Geschäftsführer Christian Moser in einer Aussendung.

Zwar sei der neue EU-Pakt für Migration und Asyl ein "kleiner Hoffnungsschimmer, doch mit Blick auf die aktuelle Situation und auf die vielen Asylsuchenden aus Afghanistan hat man den Eindruck, dass sich nichts ändert und die europäische Asylpolitik stagniert", erklärte die Hilfsorganisation. Österreich habe eine große Verantwortung, sich mit aller Kraft für die Kinderrechte in der europäischen Politik einzusetzen.

SOS-Kinderdorf schlägt etwa die Sicherstellung einer kindgerechten Unterbringung und Zugang zu Expertinnen wie Kinderärzten und Psychologen vor. Nach einer raschen Entscheidung im Asylverfahren wird zudem ein "permanenter europäischer Solidaritätspool für besonders gefährdete Gruppen" wie unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und Familien mit minderjährigen Kindern empfohlen. In diesen Solidaritätspool sollen Nationalstaaten, genauso aber Kommunen und Gemeinden freie Kapazitäten einmelden können.

Am morgigen Donnerstag erinnern in Wien Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen (MSF), die Diakonie, die Caritas sowie die Initiative Courage, mit einem "symbolischen Feuer" am Ballhausplatz in der Innenstadt daran, dass sich "die Situation für die Betroffenen nicht verbessert hat". "Die Flammen in Moria mögen erloschen sein - doch das Leid in den griechischen Elendslagern lodert weiter", hieß es im Vorfeld der Aktion.

Winter in Zelten

Die Hilfsorganisation Oxfam kritisierte indes, dass die griechischen Behörden nicht dafür gesorgt hätten, dass das Lager den europäischen Standards entspricht. Viele Menschen würden deshalb nun schon das sechste Jahr in Folge den Winter in Zelten verbringen. "Die griechische Regierung hat offen gesagt, dass sie die Menschen eher abschrecken als willkommen heißen will. Dies führt dazu, dass die Schutzsuchenden unter Bedingungen wie in einem Slum leben", zeigte sich Erin McKay, Leiterin der europäischen Migrationskampagne von Oxfam, empört. Insbesondere Frauen seien wegen der Sicherheitsrisiken im Camp gefährdet.

Abschreckung

Auch der aus 45 Hilfsorganisationen bestehende Dachverband "Europe must act" übte Kritik an der Politik der Regierung in Athen, die nur der "Abschreckung und Eindämmung von Asylbewerbern und Flüchtlingen" diene. Aber auch die EU sei beteiligt, weil sie die Bauvorhaben der Lager auf den Inseln mit 250 Millionen Euro unterstütze. Die geplanten neuen Flüchtlingslager auf den Inseln zielten darauf ab, die Bewegungsfreiheit von Migranten einzuschränken und Hilfsorganisationen den Zugang zu den Menschen zu erschweren, erklärten die Helfer, darunter örtliche Rechtsanwälte und Solidaritätsvereine, aber auch internationale Gruppierungen.

Weitab der Insel-Infrastruktur

Auf Samos wird am 18. September ein erstes solches Lager eröffnet; auf Chios und Lesbos sollen die Lager im Laufe des nächsten Jahres fertiggestellt werden. Kritisiert wird, dass die Anlagen weitab der Insel-Infrastruktur lägen und die Menschen sie nicht ohne Weiteres verlassen dürften. Das griechische Migrationsministerium bezeichnet die Einrichtung auf Samos als "geschlossenes Zentrum mit kontrolliertem Zugang".

Die griechische Regierung hatte erst Ende vergangenen Jahres die Kritik freiwilliger Helfer auf sich gezogen, als sie ein Gesetz verabschiedete, das deren Aktivitäten stark einschränkt. Demnach dürfen Helfer nur zur Seenotrettung antreten, wenn die griechische Küstenwache keine Kapazitäten hat, und müssen alle Aktivitäten melden. Das begründet die Regierung damit, dass die Aktionen mancher Flüchtlingshelfer aus dem Ruder gelaufen seien. So gab es immer wieder Vorwürfe, Helfer würden zu Migranten in der Türkei Kontakt aufnehmen, um sie jenseits der Küstenwache zu den Inseln zu lotsen.

12.000 Menschen

Das Camp Moria, das bis dahin größte Flüchtlingslager Europas, war in der Nacht von 8. auf 9. September vollständig abgebrannt, rund 12.000 Menschen mussten damals Hals über Kopf aus ihren notdürftigen Unterkünften vor den Flammen fliehen. Die Zustände im danach eilig errichteten Ausweichcamp Mavrovouni wurden von Beginn an immer wieder kritisiert.