Ohne Bello, Minki und Cookie wäre das menschliche Dasein in Österreich nicht komplett – bereits das reine Zahlenwerk ist vielsagend: Auf 2,75 Einwohner kommt in Österreich ein Haustier. Am heutigen Welttierschutztag rücken jene 3,2 Millionen animalischen Gefährten, die uns Freude in Haus und Wohnung bringen, so richtig in den Mittelpunkt.

750.000 Hunde, 1,6 Millionen Katzen

Laut Schätzungen teilen wir unseren Lebensbereich mit 750.000 Hunden und 1,6 Millionen Katzen. Beeindruckend ist auch das wirtschaftliche Potenzial: 2018 wurden insgesamt über 300 Millionen Euro mit Heimtierbedarf umgesetzt. Groß ist aber auch der Hunger auf Tier: Im Durchschnitt wurden 2018 laut Statistik Austria pro Person 64,1 Kilo Fleisch verzehrt, dazu kommen 31,9 Kilo als Knochen und Tiernahrung.

Theologe Kurt Remele, als er einen polnischen Gnadenhof für Tiere besuchte
Theologe Kurt Remele, als er einen polnischen Gnadenhof für Tiere besuchte © Privat



Dass ein Haustier ein Leben reicher, ja in mancherlei Hinsicht besser machen kann, ist für Kurt Remele,römisch-katholischer Theologe und Tierethiker an der Grazer Karl-Franzens-Universität, unbestritten: „Alltägliche Erfahrungen und empirische Studien zeigen, dass sich gute Beziehungen des Menschen zu Tieren, also etwa Zuneigung und Körperkontakt, äußerst positiv auf Menschen auswirken. Tiere werden deshalb etwa in der Altenarbeit und in der Therapie eingesetzt. Es sollte in diesen Interaktionen jedoch nicht allein um den Nutzen für den Menschen gehen, sondern ebenso um das Wohlbefinden der beteiligten Tiere."
Man solle die Beziehung zwischen Menschen – Erwachsenen und Kindern – und Haustieren dabei aber auch nicht romantisch verklären, fordert Remele: Sie und ihre artspezifischen Bedürfnisse würden "immer wieder auch Opfer von menschlicher Aggression und Gleichgültigkeit, Bequemlichkeit und Überforderung." Im Interview ortet er einen großen Zwiespalt, eine jedenfalls bestehende Zwei-Klassen-Gesellschaft, was die Fauna anbelangt: "Wir lieben, streicheln und verwöhnen Tiere – und wir fürchten, schlachten und quälen sie. Im Laufe der Geschichte wurde der Mensch zunehmend zum dominanten Teil der Beziehung", betont Remele.

Österreichs Hang zum Billigfleisch aus dem Supermarkt einerseits und die regelrechte Vergötterung von Haustieren deutet der Theologe so: "Doppelmoral ist eine richtige Charakterisierung. Die Psychologie verwendet dafür auch den Begriff der 'kognitiven Dissonanz': Wir wissen zwar, dass wir Schreckliches tun, schieben es aber weg, verdrängen es. Ein Beispiel: Wer neugeborenen Welpen die Hoden ohne Betäubung und Schmerzmittel herausreißt oder -schneidet, ist ein Krimineller, wer das gleiche bei neugeborenen Ferkeln tut, handelt ökonomisch rational, weil Schmerzausschaltung Geld kostet und viele Verbraucher Ebergeruch im Fleisch als unangenehm empfinden."

Preis ausschlaggebend

Letztlich ist noch immer meist der Preis dafür ausschlaggebend, wozu der Konsument greift: "Der Anteil des Biofleisches aus etwas artgerechterer Tierhaltung – wirklich artgerecht ist sie nämlich nicht – liegt in Österreich bei wenigen Prozent", gibt Remele zu bedenken.

Es gibt aber auch andere Signale: "Gegenwärtig protestieren gerade viele junge Menschen durch den Umstieg auf eine vegetarische oder vegane Ernährungsweise gegen das horrende Leid der Tiere in Tierfabriken, Schlachthöfen und bei Tiertransporten. Das ist eine wirklich hoffnungsvolle, großartige Entwicklung", sieht der Tierethiker Aussichten auf ein – schrittweises – Umdenken.

Dazu passt, dass aktuell bereits über 50.000 Menschen Unterstützungserklärungen für das Tierschutzvolksbegehren abgegeben haben. Damit ist die Hälfte der notwendigen Anzahl zur parlamentarischen Behandlung erreicht“, hieß es in einer Aussendung. Noch bis Ende 2020 werden dafür Unterschriften gesammelt. Bekräftigt wurde von den Organisatoren unter anderem die Forderung nach einer "Kennzeichnung von Lebensmitteln nach Herkunft sowie Tierwohl in Gastronomie und öffentlichen Küchen."
Sebastian Bohrn Mena, der hinter der Initiative steht, wird dabei noch deutlicher: "Es ist ein System des Betrugs, in dem wir leben. Wir wissen nicht, was auf unseren Tellern landet." Konsumenten hätten aber ein Recht darauf zu wissen, was sie essen. Seitens der der Wirtschaftskammer (WKÖ) hieß es zuletzt, dass eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Produkte tierischer Herkunft für die Gastronomie nicht machbar sei: "Importe sind ein Faktum".

Und die Haltung von Nutztieren? Laut einer Gallup-Umfrage im Auftrag des Vereins gegen Tierfabriken (VGT) aus dem heurigen August würden immerhin 81 Prozent höhere Preise für Schweinefleisch zahlen, wenn Vollspaltböden durch Stroheinstreu ersetzt und den Tieren (bis zu ihrem Ableben) ein besseres Dasein ermöglicht wird. Als Mehrpreis pro Kilo Schweinefleisch würden Konsumenten bei verbesserten Haltungsbedingungen im Durchschnitt 4,50 Euro akzeptieren – so zumindest die Umfrage.

Tiere kennen viele Feinde

Mensch-/klimabedingtes Artensterben, Missstände in der Massentierproduktion, Tricks und Ausflüchte bei Tiertransporten im EU-Raum, grassierender illegaler Welpenhandel, nicht artgerechte Haltung von Haustieren – es gibt in Sachen Tierschutz genug zu tun. Eine ganz grundlegende Frage drängt sich abseits der zu lösenden Probleme auf: Tiere sind Mitgeschöpfe des Menschen – kann aber Homo Sapiens auch von ihnen lernen, was Umsicht, Demut und Solidarität anbelangt?

Remele bejaht dies ausdrücklich: "Wir Menschen glauben im Allgemeinen, dass wir von Tieren nichts zu lernen hätten: Sie seien instinktgeleitet, grausam und intellektuell defizitär. Wir übersehen viele Dinge, die unterschiedliche Tiere wesentlich besser können als Menschen. Menschen sind offenbar in der Regel nicht klug genug zu erkennen, wie klug Tiere sind."

Remele gibt ein überaus aktuelles Beispiel dafür: "Die Ratgeber-Literatur empfiehlt seit einiger Zeit, achtsam im gegenwärtigen Augenblick zu leben. Tiere und einige Zen-Mönche meistern diese Haltung der Achtsamkeit vorbildlich, die meisten Menschen jedoch tun sich sehr schwer damit."