Statt in deutscher U-Haft zu sitzen, hätte er in Jordanien 50.000 US-Dollar pro Monat verdienen können: Ein in einem Transplantationsskandal freigesprochener Chirurg soll mit mehr als einer Million Euro vom Land Niedersachsen entschädigt werden, entschied das Landgericht Braunschweig am Freitag in einem Zivilverfahren. Das Land müsse dem Mediziner rund 1,1 Millionen Euro zahlen, sagte der Richter.
Mit dem Urteil kam das Gericht im Wesentlichen den Forderungen des 51-Jährigen nach, der etwas mehr als 1,2 Millionen Euro einklagen wollte. Den mit Abstand größten Posten begründete der Mediziner mit dem verpassten Spitzenjob in einer Klinik in der jordanischen Hauptstadt Amman. Kurz vor der Abreise wurde er im Jänner 2013 in Deutschland festgenommen und später im Transplantationsskandal angeklagt.
In einem aufsehenerregenden Prozess hatte ihn das Landgericht Göttingen 2015 vom Vorwurf des elffachen versuchten Totschlags und der dreifachen Körperverletzung mit Todesfolge freigesprochen. Die Richter bescheinigten ihm damals zwar, er habe medizinische Daten manipuliert, um schneller Spenderorgane für seine Patienten zu bekommen. Aber das Gericht entschied auch: Das Verhalten des Chirurgen war auf Basis der damaligen Rechtslage nicht strafbar. Der deutsche Bundesgerichtshof schloss sich dieser Auffassung an.
Die Braunschweiger Zivilkammer sah es nun als erwiesen an, dass der 51-Jährige einen Verdienstausfall wegen der U-Haft erlitten hat. "Wir sind mit dem Urteil sehr zufrieden", ließ Klägeranwalt Jürgen Hoppe mitteilen. Verhalten reagierte dagegen die Gegenseite: "Aufgrund des noch nicht rechtskräftigen abgeschlossenen Zivilverfahrens, in dem das Land Niedersachsen beklagte Partei ist, werden derzeit zu diesem Urteil keine Auskünfte erteilt", sagte eine Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig.
Das Auffliegen des Organspendeskandals in Göttingen hatte 2012 weitreichende Folgen. An mehreren deutschen Kliniken wurden Manipulationen aufgedeckt, wodurch das Vertrauen in die Transplantationsmedizin nachhaltig erschüttert wurde. Nach Angaben der Deutschen Transplantationsgesellschaft stehen Manipulationen wie in Göttingen inzwischen klar unter Strafe. Nach dem Skandal seien Regeln verschärft worden.
Mittlerweile hätten Verstöße wie der des früheren Göttinger Mediziners klar definierte, strafrechtliche Konsequenzen.