Das Städtchen Port Alberni auf Vancouver Island ist kein Ort, wo man länger bleiben müsste. Die 18.000-Einwohner-Gemeinde auf der Insel an Kanadas Westküste lebt von der Forstwirtschaft, aber die hat schon bessere Zeiten gesehen. Viele Leute sind arbeitslos, viele Geschäfte stehen leer. Am Hafen ist an diesem Nachmittag niemand unterwegs. Touristen fahren auf ihrem Weg zu den Stränden nur durch.
Vor ein paar Jahren wurde Port Alberni sogar zum schlimmsten Ort Kanadas gewählt. Bryer Schmegelsky und Kam McLeod hielten es dort etwas mehr als 18 Jahre lang aus. Als die zwei Freunde im Mai mit der Schule fertig waren, nahmen sie schlecht bezahlte Jobs im "Walmart"-Supermarkt an, die sie jedoch bald wieder kündigten. Am 12. Juli machten sie sich mit dem Auto auf den Weg, um anderswo "richtig Geld" zu verdienen. Heute fehlt von ihnen jede Spur. Dazwischen liegen drei Morde.
Schmegelsky (18) und McLeod (19) werden dringend verdächtigt, zunächst ein junges Touristenpärchen - sie 24 und aus den USA, er 23 und aus Australien - und dann einen 64 Jahre alten kanadischen Botanik-Lehrer ermordet zu haben. Zwischendurch fürchtete die Polizei, dass die beiden Teenager ebenfalls Opfer eines Verbrechens wurden. Jetzt halten die Ermittler sie für die Täter. Der Fall hat sich zu Kanadas größter Menschenjagd seit vielen Jahren entwickelt, in einem Land von fast zehn Millionen Quadratkilometern Fläche, große Teile davon dichter Wald. Die Polizei ist mit Hunden, Drohnen, Hubschraubern und sogar Militärflugzeugen im Einsatz. Bisher ohne jeden Erfolg: Kanadas Wildnis ist das ideale Gelände, um sich zu verstecken - aber auch ein schwieriger Ort, um zu überleben.
Inzwischen wissen die Ermittler ziemlich genau, welchen Weg die beiden jungen Männer nach dem Abschied aus Port Alberni einschlugen. Anfangs in den Norden der Provinz British Columbia, wo am 15. Juli entlang des Alaska-Highways das erschossene Pärchen gefunden wurde. Dann nach Osten, wo man 500 Kilometer weiter die Leiche des Kanadiers entdeckte und ganz in der Nähe den ausgebrannten Camper, mit dem Schmegelsky und McLeod anfangs unterwegs waren. Auf der Flucht quer durchs Land wurden sie dann in einem gestohlenen SUV gesichtet und an einer Tankstelle gefilmt. Einmal hielt man sie sogar an einer Straßensperre an, erkannte sie aber nicht. Der SUV stand dann später ebenfalls ausgebrannt am Straßenrand: 3.000 Kilometer weiter östlich, in der Provinz Manitoba, nahe der 1.000-Einwohner-Gemeinde Gillam, fernab der sonstigen Zivilisation.
In Gillam ist die Angst nun groß. Die Royal Canadian Mounted Police kontrolliert die einzige Straße, die hinein- und hinausführt, sehr streng. Vermutet wird, dass sich die beiden irgendwo in den Wäldern aufhalten, vielleicht in einer der vielen Hütten, die hier für Trapper oder Waldarbeiter zur Verfügung stehen. Der Einheimische Howard Spence (49) sagte der Zeitung "Globe and Mail": "Ich wette, dass sie in Richtung Süden sind, die Stromtrasse entlang." Die Suche wird in ganz Kanada verfolgt. Viele bezweifeln, dass die beiden zu Fuß und ohne große Vorbereitung in der Wildnis überleben können. Außer Wölfen und Bären gibt es zu dieser Jahreszeit auch enorme Mengen Moskitos. Gillams Bürgermeister Dwayne Forman äußerte die Ansicht, sein Heimatort sei so oder so "Ende des Weges". "Wo können die nur sein? Niemand kennt die Antwort."
Gerätselt wird auch noch, was die Teenager bewegt haben könnte. Die Ermittler haben keine Hinweise, dass sich Opfer und mutmaßliche Täter schon länger kannten. Schmegelskys Vater Al beschrieb seinen Sohn als Fan von Online-Ballerspielen auf "Selbstmordmission". Bryer habe die Trennung der Eltern nie verkraftet, sagte er der Nachrichtenagentur Canadian Press. "Er will sein Leiden beenden. Die wollen sich in Glanz und Gloria verabschieden." Inzwischen sind auch Fotos aufgetaucht, die den 18-Jährigen mit Waffen-Attrappe und Hakenkreuz-Armband zeigen. Der Vater sagte dazu, Bryer sei kein Neonazi, finde Nazi-Kram aber "cool". Keith McLeod nannte seinen Sohn einen "netten, fürsorglichen jungen Mann". Ansonsten äußert sich die Familie nicht.
Inzwischen wurden die zwei Verdächtigen schon seit mehr als einer Woche nicht mehr gesehen. Mehrere Hinweise aus der Bevölkerung stellten sich als falsch heraus. Die Polizei fuhr das Ausmaß der Suche nun etwas herunter. Chef-Ermittler Kevin Lewis versprach jedoch: "Wir machen so weiter, als ob die immer noch da draußen unterwegs sind." Man hoffe, "dass wir zumindest Leichen finden, wenn es welche gibt".