Die EU-Kommission forderte die Mitgliedsstaaten auf, sich auf vorläufige Regeln zur Verteilung von Flüchtlingen zu einigen. "Die Herausforderungen der Migration können nicht nur in der Verantwortung von Italien und Malta liegen, nur weil sich diese Staaten am Mittelmeer befinden", sagte EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos der "Welt". Auch UNHCR forderte mehr Engagement der EU für Flüchtlinge.

Bis die neuen Regeln zur Verteilung von Flüchtlingen umgesetzt würden, fordere Avramopoulos alle EU-Mitgliedsländer auf, "ihre Arbeit zu beschleunigen und vorläufige Vereinbarungen zu finden, wie mit den Menschen umzugehen ist, wenn sie die Rettungsschiffe verlassen haben". Dabei müssten Situationen wie im Fall der "Sea Watch 3" und der "Alan Kurdi", aber auch ähnliche Vorfälle, in denen die Kommission Einzelfalllösungen zwischen den Mitgliedstaaten koordiniert habe, verhindert werden, so Avramopoulos in der "Welt" (Dienstag).

"Nächste Woche werden wir das erste EU-Innenminister-Treffen unter finnischer Ratspräsidentschaft abhalten - ich hoffe, dass wir dort vorankommen können", sagte Avramopoulos. Zugleich müsse die EU aber auch mit Drittstaaten zusammenarbeiten, um zu verhindern, dass Menschen bei der Flucht ihr Leben riskierten. Dabei sollten jene, die Schutz durch eine Umsiedlung benötigten, auf legalem Wege nach Europa kommen.

"Lebensrettende Notlösung"

Auch laut Dominik Bartsch, UNHCR-Repräsentant in Deutschland, sollen die europäischen Staaten ihr Engagement für Flüchtlinge in Libyen deutlich verstärken. "Wir fordern die europäischen Regierungen auf, all ihre politischen Beziehungen zur libyschen Regierung zu nutzen, um eine deutliche Verbesserung der Lage für die Menschen in den Lagern zu erreichen", sagte Bartsch der "Welt". Ziel müsse die Freilassung aller Menschen aus den Lagern sein, so Bartsch. Als "lebensrettende Notlösung" sollten die Menschen außer Landes gebracht werden.

Die Exekutivdirektorin des Kinderhilfswerks UNICEF, Henrietta Fore, rief ebenfalls Politiker zu mehr Verständnis für die Lage von Migranten - ob an der US-Grenze zu Mexiko, in Mittelamerika oder Syrien - auf: "Viele Flüchtlinge haben keine Wahl", sagte Fore. Sie seien gezwungen, ihr Land zu verlassen. Deshalb müsse die Politik für "Nahrung, Hygiene und Schutz sorgen", forderte die frühere US-Diplomatin.

Libyen ist eines der wichtigsten Transitländer für Geflüchtete aus Afrika auf dem Weg nach Europa. Laut UNHCR werden dort Tausende Menschen in Internierungslagern festgehalten, Tausende weitere leben teils versteckt im Land. In die Lager kommen alle, die ohne gültige Aufenthaltspapiere aufgegriffen werden. Dazu gehören auch diejenigen, die die libysche Küstenwache auf Druck der EU bei dem Versuch abfängt, per Boot nach Europa zu gelangen. Hilfsorganisationen kritisieren die Zustände in den Internierungslagern seit Jahren als "unmenschlich", Menschen sollen dort willkürlicher Gewalt und sogar Sklaverei ausgesetzt sein.

NGO will Spendengelder mit anderen Seenotrettern nutzen

Die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch will indes die gesammelten Spenden für die Kapitänin Carola Rackete mit anderen Seenotrettern gemeinsam nutzen. "Es wird ein Gremium gebildet, weil wir das Geld möglichst effektiv für die Seenotrettung einsetzen wollen, nicht nur für Sea-Watch, sondern wir wollen gemeinsam schauen, wo es am dringendsten gebraucht wird", sagte Sprecher Ruben Neugebauer.

In diesem Gremium seien unter anderem Vertreter von Hilfsorganisationen und von dem Netzwerk Seebrücke, das sich für die Rettung von Geflüchteten auf dem Mittelmeer einsetzt. Ein Teil der Spenden soll für die Verfahrenskosten von Rackete verwendet werden.

Nach der Festnahme der 31-Jährigen in Italien gab es eine Welle der Solidarität. Allein über den Aufruf der Fernsehmoderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf kamen bisher knapp eine Million Euro zusammen.