Der Klimawandel gehört zu den Hauptgründen für das weltweite Artensterben. Und seine Auswirkungen auf die Artenvielfalt könnten bisher sogar unterschätzt worden sein, legt eine Studie der Uni Zürich nahe.

Rund eine von acht Millionen Arten auf der Welt könnten in den nächsten Jahrzehnten für immer verschwinden. In seinem Bericht zum Zustand der Artenvielfalt nennt der Weltbiodiversitätsrat IPBES auch den Klimawandel als einen der Gründe für das Massenaussterben, das bereits in vollem Gange ist. Und der Effekt der Klimaerwärmung könnte sogar unterschätzt worden sein, berichten Zürcher Forscher.

Bisher nutzten Ökologen meist Klimamodelle, um das Schicksal einzelner Arten im Zuge der Erderwärmung vorherzusagen. Das greift allerdings zu kurz, wie die Uni Zürich am Dienstag mitteilte: Denn Arten sind in ein großes Netzwerk gegenseitiger Abhängigkeiten eingebunden. Wenn eine Art stirbt, kann das andere Arten, die von ihr abhängig sind, mit in den Abgrund reißen. Fachleute sprechen auch von "Ko-Extinktion".

Forscher um Jordi Bascompte von der Universität Zürich untersuchten das Ausmaß dieses Effekts bei Blütenpflanzen und Bestäuberinsekten in sieben unterschiedlichen Regionen Europas. Es zeigte sich, das aufgrund der Vernetzungen wahrscheinlich viel mehr Arten klimabedingt vom Aussterben bedroht sind als bisher gedacht.

Die Ergebnisse, die im Fachblatt "Science Advances" erscheinen, beschreibt Bascompte an einem konkreten Beispiel: Die Wahrscheinlichkeit, dass in einem Netzwerk in Südspanien die salbeiblättrige Felsenrose klimabedingt bis 2080 aussterbe, betrage 52 Prozent. Für die kleine Holzbiene fiele dadurch eine wichtige Nahrungsgrundlage weg und auch sie sei in Folge vom Aussterben bedroht.

Weil die kleine Holzbiene jedoch auch die Myrte bestäubt, diese also auf das Insekt angewiesen ist, setzt sich die Bedrohungs-Kettenreaktion auch auf diese fort. Für sich allein betrachtet läge die Aussterbewahrscheinlichkeit für die Myrte nur bei 38 Prozent. Berücksichtigt man jedoch das Netzwerk und die gegenseitigen Abhängigkeiten, steigt die Wahrscheinlichkeit auf 62 Prozent.

"Wird das Bestäubungsnetzwerk, in das einzelne Arten eingebunden sind, berücksichtigt, steigt die Gesamtzahl der Spezies, die vom Aussterben bedroht sind", so Bascompte. "Arten mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit, klimabedingt auszusterben, zeigen unter diesem Blickwinkel plötzlich signifikante Wahrscheinlichkeiten, aufgrund ihrer Abhängigkeiten ausgelöscht zu werden."

Im Vergleich der verschiedenen untersuchten Regionen stach insbesondere der Mittelmeerraum hervor: Hier falle das Artensterben aufgrund von Ko-Extinktion besonders stark ins Gewicht, schrieb die Uni Zürich. Berücksichtige man die Vernetzungen der Arten, könnten in Griechenland zwei- bis dreimal mehr Pflanzenarten aussterben als aufgrund der Einzelprognosen vermutet.