Feierliche Stimmung am Abend des 11. Aprils 1997 in Turin: Im Königlichen Palast war ein Empfang zu Ehren des damaligen UNO-Generalsekretärs Kofi Annan zu Ende gegangen. Doch um 23.30 Uhr ging bei der Feuerwehr ein Anruf ein, der einen Brand im Dom meldete. Zwischen dem Feuer in Turin und jenem von Notre Dame in Paris bestehen viele Parallelen.

Der Brand in Turin brach in der 1668 errichteten Guarini-Kapelle aus, die das weltbekannte Grabtuch Christi, eine der kostbarsten Reliquien des Christentums, beherbergte, und griff auf den angrenzenden Königspalast über. Vor der Kirche und dem in Flammen stehenden Königspalast versammelten sich in der Nacht Tausende Menschen. Über 200 Feuerwehrleute und 80 Löschfahrzeuge kämpften stundenlang gegen die meterhohen Flammen.

Die vierfache Schutzwand aus Panzerglas, hinter der die bedeutende Reliquie aufbewahrt wurde, konnte erst nach über hundert Schlägen mit einer Eisenstange durchbrochen werden. Hohe Flammen, dichter Rauch und herabstürzende Deckenteile behinderten die Arbeit. Die vor der Kirche versammelte Menge klatschte Beifall, als das Grabtuch um 01.36 Uhr aus dem Dom getragen wurde. Viele Menschen brachen in Tränen aus. "Gott hat mir die Kraft gegeben, das Glas zu zerschlagen", berichtete der Feuerwehrmann Mario Trematore nach seinem Einsatz.

21 Jahre Restaurierung 

Ermittler machten Fahrlässigkeit im Zuge von Renovierungsarbeiten in der Renaissancekirche für die Katastrophe verantwortlich. Ein Kurzschluss oder eine Lampe, die nicht gelöscht worden war, soll das Feuer ausgelöst haben. Fünf Mitarbeiter der Firma, die mit den Renovierungsarbeiten beauftragt war, wurden zu milden Strafen verurteilt. 21 Jahre lang dauerte die Restaurierung des Doms. Der an die Kathedrale angrenzende Barockbau von Guarino Guarini (1624-1683), der seit 1694 der Aufbewahrung des Grabtuchs Christi diente, wurde erst im vergangenen September Besuchern wieder zugänglich gemacht.

"Als ich die Flammen in der Kathedrale von Notre Dame sah, habe ich all den Schreck jener Unglücksnacht in Turin wieder erlebt. Es gibt viele Ähnlichkeiten zwischen den beiden Bränden. In beiden Fällen sind symbolträchtige Monumente des Christentums zerstört worden. In beiden Fällen ist das Feuer nach fast abgeschlossenen Renovierungsarbeiten ausgebrochen", sagte Valentino Castellani, zur Zeit des Brands Bürgermeister von Turin, im Gespräch mit der APA.

Der Ex-Bürgermeister machte der Stadt Paris Mut. "Notre Dame wird wieder auferstehen, wie es mit dem Turiner Dom geschehen ist. Wichtig ist der Zusammenhalt der Gemeinschaft. Die besten Energien auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene müssen sich vereinen, damit die Kathedrale so schnell wie möglich wieder errichtet werden kann", so Castellani.

Auch beim Erzbischof von Turin, Cesare Nosiglia, weckt der Brand von Notre Dame dramatische Erinnerungen. "Wir erleben wieder unsere Trauer und das Leid, als der Turiner Dom zerstört wurde. Diese Monumente sind ein lebendiges Erbgut der Menschheit, der Kirche und der Völker. Sie haben einen universalen Wert und sind nicht nur Geschichte, Kunst oder Steine. Wir fühlen mit der Kirche in Paris und der ganzen Bevölkerung. Wir hoffen, dass Notre Dame in kurzer Zeit wieder zu neuem Leben erwachen wird", betonte Nosiglia.