Dem in London festgenommenen Wikileaks-Gründer Julian Assange drohen bei einem Prozess in den USA nach Angaben des Justizministeriums bis zu fünf Jahre Haft. Wie das Ministerium am Donnerstag in Washington mitteilte, ist der 47-jährige Australier wegen Hackerangriffen angeklagt. Ihm wird Verschwörung zur Attacke auf Regierungscomputer zur Last gelegt.

Außerdem hat ein britisches Gericht Assange noch am Donnerstag in London für schuldig befunden, gegen seine Kautionsauflagen verstoßen zu haben. Dafür droht ihm eine Haftstrafe von bis zu zwölf Monaten.

Die britische Premierministerin Theresa May hat den Zugriff auf Assange von verteidigt. "In Großbritannien steht niemand über dem Gesetz", erklärte May im Parlament in London und dankte Ecuador für die Zusammenarbeit sowie der Polizei für ihre "große Professionalität". Die Polizei hatte den 47-jährigen Australier wenige Stunden zuvor in der Botschaft Ecuadors festgenommen, wohin er sich vor sieben Jahren aus Furcht vor einer Auslieferung an die USA geflüchtet hatte. Vor der Festnahme hatte ihm die Regierung Ecuadors das diplomatische Asyl entzogen.

Erst am Mittwoch hatte die Enthüllungsplattform Ecuador vorgeworfen, eine rechtswidrige Totalüberwachung von Assange in der Londoner Botschaft gestartet zu haben. Wikileaks-Chefredakteur Kristinn Hrafnsson erklärte in London, man sei auf die Überwachung aufmerksam geworden, nachdem jemand in Spanien versucht habe, Videos und Fotos von Assange für drei Millionen Euro zu verkaufen.

Das Video der Verhaftung war auf RT zu sehen:

Vertrauliche Gespräche aufgezeichnet

Nach den Worten von Hrafnsson seien selbst vertrauliche Gespräche von Assange mit seinen Ärzten und Anwälten mit hochauflösenden Videokameras und Mikrofonen aufgezeichnet worden. "Dieser Zustand muss beendet werden", sagte er bei einer Pressekonferenz.

Assange war vor der Justiz 2012 in die Botschaft Ecuadors in London geflüchtet und sitzt seither dort fest. Der damalige linksgerichtete ecuadorianische Präsident Rafael Correa hatte ihm das Botschaftsasyl aus humanitären Gründen gewährt.

Wikileaks hatte bereits befürchtet, dass die neue Regierung unter Präsident Lenin Moreno das Botschaftsasyl von Assange in absehbarer Zeit beenden würde. Nun wurde Assange festgenommen. Möglich ist nun eine Auslieferung an US-Behörden. Wikileaks befürchtet, dass sie Assange wegen der Enthüllung brisanter Informationen den Prozess machen und ihn womöglich lebenslang hinter Gittern bringen wollen.

Fidel Narvaez, ehemaliger Konsul Ecuadors in der Londoner Botschaft, warf auf der Wikileaks-Pressekonferenz in London der Regierung in Quito vor, Assange seit März 2018 systematisch zu isolieren. Ihm sei nicht nur der Zugang zum Internet gekappt worden, die Regierung entscheide auch, wen er sehen dürfe und wen nicht. Das Schicksal von Assange hänge nun von der internationalen Solidarität ab.

Die Chronologie der Causa:

Seit mehr als sechs Jahren war Assange in der Botschaft Ecuadors in London festgesessen. In den USA fiel der Australier in Ungnade, weil seine Enthüllungsplattform unter anderem geheimes Material zu den Kriegen in Afghanistan und im Irak veröffentlichte. In Schweden wurde er wegen angeblicher sexueller Vergehen gesucht. Ein Rückblick:

August 2010: Schwedische Staatsanwälte erlassen Haftbefehl gegen Assange, heben ihn aber kurz darauf wieder auf. Die Justiz wirft dem Australier vor, er habe bei einem Besuch im Land zwei Frauen vergewaltigt und sexuell genötigt.

Dezember 2010: Assange wird von der britischen Polizei wegen eines neuen Haftbefehls aus Schweden festgenommen. Gegen Kaution und unter Auflagen kommt er frei. Er hält die Vorwürfe für politisch motiviert.

Februar 2011: Ein Londoner Gericht hält eine Auslieferung nach Schweden für rechtens, Assange geht Anfang März in Berufung. Er fürchtet die Auslieferung an die USA, wo ihm eine lange Haft oder gar die Todesstrafe wegen Geheimnisverrats drohen könnte.

November 2011: Der britische High Court entscheidet, dass Assange an Schweden ausgeliefert werden darf. Dieser legt Einspruch ein.

Juni 2012: Der Einspruch scheitert. Am 19. Juni flieht Assange in die Botschaft von Ecuador in London und beantragt politisches Asyl.

Juli 2014: Assanges Anwälte beantragen in Schweden eine Aufhebung des vier Jahre alten Haftbefehls. Der Antrag scheitert.

August 2015: Die schwedische Staatsanwaltschaft lässt die Vorwürfe der sexuellen Nötigung und des Missbrauchs wegen Verjährung fallen. Der Vergewaltigungsvorwurf bleibt aber bestehen.

Februar 2016: Nach Ansicht von UNO-Rechtsexperten kommt Assanges Aufenthalt in der Botschaft einer willkürlichen Haft gleich. Sie fordern, er müsse sich wieder frei bewegen können.

November 2016: Schwedische Staatsanwälte befragen Assange in London.

April 2017: Medienberichten zufolge bereiten die USA eine Anklage gegen Assange vor.

Mai 2017: Schwedens Justiz gibt bekannt, dass sie die Ermittlungen gegen Assange einstellt.

Jänner 2018: Ecuador bürgert Assange ein. Die Bitte der Regierung Ecuadors um einen Diplomatenstatus für den 46-jährigen Australier lehnt das britische Außenministerium allerdings ab. Damit hätte er beim Verlassen der Botschaft einer Festnahme entgehen und zum Flughafen fahren können.

Februar 2018: Der britische Haftbefehl gegen Assange bleibt bestehen. Ein entsprechender Antrag der Anwälte des WikiLeaks-Gründers wird abgelehnt. Diese hatten argumentiert, dass die Aufrechterhaltung des Haftbefehls nicht mehr im öffentlichen Interesse sei.

Juli 2018: Der Vertraute von Edward Snowden, der Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald, berichtet, dass der ecuadorianische Präsident Lenin Moreno Assange das Asyl entziehen möchte und eine entsprechende Vereinbarung mit Großbritannien ausverhandeln werde.

August 2018: Der Geheimdienstausschuss im US-amerikanischen Senat will Assange zu seiner Rolle bei der Präsidentschaftswahl 2016 befragen. Der Ausschuss untersucht die mutmaßliche russische Einflussnahme auf die Wahl und prüft dabei auch eine Verstrickung des Lagers des aktuellen Präsidenten Donald Trump.

Oktober 2018: Das Verhältnis zwischen Assange und Ecuador erreicht einen Tiefpunkt. Er verklagt die Regierung, weil er mit seinen Lebensbedingungen in der Londoner Botschaft des Landes unzufrieden ist. Ecuador verstoße gegen die "Grundrechte und die Freiheit". Die Justiz weist die Anklage zurück.