Ein Bericht aus dem Schweizer Kanton St. Gallen sorgt derzeit für große Aufregung: In den 1980er Jahren sollen, wie es im Bericht heißt, Hunderte Kinder aus Sri Lanka gegen den Willen ihrer Eltern in die Schweiz gebracht und dort adoptiert worden sein. Die mittlerweile verstorbene Alice Honegger von der Adoptionsvermittlungsstelle in Bollingen, das heute Teil der Stadt Rapperswil-Jona ist, soll dabei federführend gewesen sein.

Ende der 1970er Jahre begann sie, hauptsächlich Kinder aus Sri Lanka und Indien zu vermitteln. Bereits in den 1980er-Jahren kamen Zweifel über die Korrektheit der Verfahren auf. Mittlerweile haben die Bemühungen der betroffenen Adoptierten nach Kenntnis ihrer Herkunft erneut das Interesse der Öffentlichkeit geweckt. Der Bund als zuständige Aufsicht über Vermittlungsstellen hat die Kantone um Abklärungen ersucht. Der Kanton St.Gallen hat dazu die Erarbeitung eines historischen Berichts in Auftrag gegeben, der nun öffentlich zugänglich ist.

Säuglinge aus Spitälern gestohlen

In dem Bericht treten verstörende Vorwürfe der leiblichen Eltern zu Tage. Mütter seien genötigt worden, ihr Neugeborenes wegzugeben. Säuglinge seien aus Spitälern und Heimen gestohlen worden. In manchen Fällen sei Mädchen oder Frauen Geld versprochen worden, wenn sie schwanger werden sowie ein Kind gebären und zur Verfügung stellen würden. Agenten und Vermittlerinnen hätten die kleinen Kinder in "Baby-Farmen" zur Adoption angeboten. Zudem sollen Frauen angeheuert worden sein, die sich im sri-lankischen Adoptionsverfahren vor Gericht unter Angabe einer falschen Identität als leibliche Mütter ausgaben.

Unter Verdacht

Dem Bericht zufolge verfügte Honegger über die nötige Bewilligung der Behörden, obwohl ihre Tätigkeit immer wieder zu Beanstandungen führte. Einmal fehlten Unterlagen für Bewilligungen, mehrmals wurden Beschwerden zu Honeggers undurchsichtiger Geschäftsführung an den Kanton als Bewilligungsbehörde herangetragen. Doch standen solchen Vorfällen Berichte von glücklichen Adoptiveltern gegenüber, welche die Arbeit Honeggers lobten. Sämtliche für die Aufsicht relevanten kritischen Hinweise wurden damals von den zuständigen kantonalen Stellen untersucht, führten aber nie zu dauerhaften Konsequenzen für Alice Honegger, da ihr letztlich lediglich administrative Unzulänglichkeiten, aber kein rechtswidriges Verhalten nachgewiesen werden konnte.

Als Anfang der 1980er-Jahre Missstände um illegale Adoptionen in Sri Lanka publik wurden, wurde die Bewilligung von Honegger ausgesetzt. Nachdem ein Interpolbericht sie entlastet hatte und ihre Tätigkeit in einen neu gegründeten Verein überführt worden war, wurde aber die Bewilligung zur Vermittlung von Adoptionen wieder erteilt.

Der Kanton wolle nun, wie es heißt, Betroffene bei der Ermittlung der korrekten Angaben zu ihren leiblichen Eltern unterstützen.