In Frankreich hat die "Gelbwesten"-Bewegung am neunten Protestwochenende in Folge deutlich an Fahrt gewonnen. Landesweit beteiligten sich am Samstag nach Angaben des Innenministeriums rund 84.000 Menschen an den Demonstrationen, 244 Menschen wurden vorübergehend festgenommen.
In mehreren Städten kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei, insgesamt gab es jedoch weniger Gewalt als an den früheren Wochenenden. Die Regierung setzt nun auf einen "Bürgerdialog", um die Proteste zu besänftigen.
In Paris demonstrierten laut Innenministerium rund 8000 Menschen "ruhig und ohne schwere Zwischenfälle". Die "Verantwortung" habe sich gegen die "Verlockung der Auseinandersetzung" durchgesetzt, erklärte Innenminister Christophe Castaner. Auf den Champs-Elysees ging die Polizei allerdings mit Tränengas gegen Demonstranten vor, die mit Helmen, Masken und Rauchkerzen ausgerüstet waren. Nahe dem Triumphbogen wurden Polizisten nach Polizeiangaben mit Steinen beworfen, auch dort setzten die Ordnungskräfte Tränengas ein. 149 Aktivisten wurden festgenommen.
Auch in mehreren weiteren Städten kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten, darunter Nîmes, Toulouse, Caen und Nantes. In Bourges wurden zwei "Gelbwesten" bei Polizeieinsätzen verletzt.
244 Menschen festgenommen
Es war der neunte Protest-Samstag in Folge, die landesweite Beteiligung legte im Vergleich zu den 50.000 Teilnehmern vom vergangenen Wochenende deutlich zu. Landesweit kamen von den insgesamt 244 vorübergehend Festgenommenen 201 in Polizeigewahrsam. Die bisher stärkste Mobilisierung hatte die Bewegung am 17. November verzeichnet, als sich in ganz Frankreich 282.000 Menschen an den Kundgebungen beteiligten.
Staatschef Emmanuel Macron versucht die Protestbewegung durch einen "Bürgerdialog" zu besänftigen. Ab Dienstag sollen die Bürger ihre Kritik äußern und Reformvorschläge machen können - bei über mehrere Wochen im ganzen Land stattfindenden Gesprächsrunden. Wie die "nationale Debatte" genau organisiert werden soll, ist bisher nicht bekannt. Premierminister Edouard Philippe will sich am Montag zu Details äußern. Auch ein Brief Macrons an die Franzosen soll Montag veröffentlicht werden. Beobachter erwarten, dass der Staatschef darin vor allem einen Appell an die Bürger richten wird, sich zahlreich an der Debatte zu beteiligen
"Das ist Topfen"
Die meisten Demonstranten können dem jedoch nicht viel abgewinnen. Eine aus dem Alpenort Albertville im Departement Savoie nach Paris gereiste "Gelbwesten"-Trägerin, die 34-jährige Charlotte, hatte für Macrons "Dialog" nur Spott übrig. "Das ist Topfen, ein Ablenkungsmanöver" sagte sie. "Wir wollen nicht mehr reden, wir wollen Taten."
Die angekündigten milliardenschweren Zugeständnisse der Regierung, die unter anderem mehr Geld für Mindestlohnbezieher und Entlastungen für Rentner vorsehen, weisen die Demonstranten als ungenügend zurück. Viele fordern weitere Steuersenkungen, Volksabstimmungen nach schweizerischem Vorbild sowie Macrons Rücktritt.
Die "Gelbwesten"-Bewegung setzt der Regierung Macron seit November zu. Mit ihren landesweiten Kundgebungen demonstriert sie gegen Steuer- und Preiserhöhungen sowie für eine verbesserte Kaufkraft der Franzosen. Ursprünglich hatte sich die Bewegung gegen hohe Spritpreise und die geplante Ökosteuer auf Diesel gerichtet. Später mischte sich in den Protest allgemeiner Unmut über die Politik der Regierung.
Bei "Gelbwesten"-Protesten in Belgien kam am Freitagabend ein Teilnehmer ums Leben. Der Mann wurde laut Zeugen bei einer Straßensperre auf einer Autobahn im Osten des Landes von einem Lastwagen überfahren. Ein Verdächtiger wurde am Samstagabend in den Niederlanden festgenommen, wie die Staatsanwaltschaft im belgischen Lüttich mitteilte. Der niederländische Fahrer werde der Unfallflucht verdächtigt.