Eine junge Frau aus Saudi-Arabien, 18 Jahre alt, mit vollem Namen Rahaf Mohammed Al-Qunun. An jenem Samstagabend, 21.23 Uhr, schrieb sie: "Ich bin das Mädchen, das nach Thailand weggerannt ist. Ich bin in echter Gefahr. Die Saudi-Botschaft will mich zwingen, nach Hause zurückzukehren."

Dann fügte sie noch hinzu: "Ich habe Angst. Meine Familie wird mich umbringen." Das Ganze war in arabischer Sprache. Heute ist Qunun eine internationale Berühmtheit, vorübergehend zumindest. Ihr Fall hat Menschen auf der ganzen Welt bewegt: die junge Frau aus dem konservativen islamischen Königreich, der es gelang, sich mit einer improvisierten Kampagne auf Twitter vor der Abschiebung zu retten. Vor einer Woche folgten ihr auf dem Kurznachrichtendienst 24 Leute. Zuletzt waren es mehr als 130.000.

Als Flüchtling anerkannt

Vor allem aber ist die 18-Jährige inzwischen von den Vereinten Nationen als Flüchtling anerkannt. Unter der Obhut des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR wartet sie in einem Hotel in Thailands Hauptstadt Bangkok darauf, in ein Drittland ausreisen zu dürfen. Die Aussichten, dass sie nach Australien darf - ihrem eigentlichen Ziel - sind gut. Der Antrag auf ein Visum aus humanitären Gründen wird gerade geprüft. Man darf annehmen, dass dies wohlwollend geschieht.

Zwischenzeitlich hatte es sehr schlecht ausgesehen. Als die Verzweiflung am größten war, stellte Qunun kurze Videos ins Internet. Zu sehen war, wie sie sich in einem Hotelzimmer im Transitbereich von Bangkoks Flughafen Suvarnabhumi verbarrikadierte. Die saudische Botschaft hatte ihr den Pass abgenommen, die Thais wollten sie loswerden. In einer Maschine der Kuwait Airways war für sie bereits ein Platz für den Flug zurück zur Familie reserviert.

Schikaniert

Dorthin wollte Qunun keinesfalls. Bei einem Ausflug nach Kuwait hatte sie sich von ihren Leuten abgesetzt. Angeblich wurde sie von Männern der eigenen Familie schikaniert, nachdem sie sich vom Islam losgesagt hatte. Weil sie sich die Haare kurz geschnitten hatte, soll sie ein halbes Jahr in ihr Zimmer eingesperrt worden sein. Auch Morddrohungen soll es gegeben haben. Nachprüfen ließ sich das nicht, weshalb es anfangs auch einige Zweifel an der Version der jungen Frau gab.

Da hatte die Geschichte aber längst Fahrt aufgenommen - vor allem, weil die US-ägyptische Journalistin Mona Eltahawy ihre Tweets übersetzt und an ihre mehr als 300.000 Follower weitergeleitet hatte. Unter dem Hashtag #SaveRahaf ("Rettet Rahaf") stiegen auch die BBC und die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) ein, was zusätzliche Aufmerksamkeit brachte. Auch der deutsche Botschafter in Bangkok, Georg Schmidt, twitterte: "Wir teilen die große Sorge um Rahaf Mohammed".

Als die Lage immer bedrohlicher wurde, war es der Asien-Experte von HRW, Phil Robertson, der Qunun empfahl, keineswegs ihr Smartphone aus der Hand zu geben. Das war vermutlich der entscheidende Tipp. Zusammen mit einer australischen Journalistin, die mit ihr im Zimmer war, und zwei Freundinnen von außerhalb berichtete Qunun praktisch in Echtzeit, wie es ihr ging.

Auf Twitter wurde dies millionenfach verfolgt. Auf dem Flughafen warteten Dutzende Kameras auf den Ausgang des Dramas. Schließlich erklärte Thailands Einwanderungsbehörde, auf die Abschiebung zu verzichten. Und das UNO-Flüchtlingshilfswerk hielt ihre Geschichte für glaubwürdig genug, um ihr Flüchtlingsstatus zu geben: Solange in Saudi-Arabien ihre Freiheit und ihr Leben bedroht sind, muss sie nicht zurück. Andere saudi-arabische Frauen, die in den letzten Jahren ins Ausland geflohen waren, hatten nicht so viel Glück.

Erst durch Twitter-Kampagne möglich geworden

Menschenrechtler Robertson meint, dass die Twitter-Kampagne das alles erst möglich gemacht habe. "Das hat die Geschichte in die internationalen Nachrichten gebracht und die Aufmerksamkeit der Politik darauf gelenkt. Twitter war das perfekte Werkzeug." So ähnlich sieht dies offenbar auch die andere Seite. Der saudische Geschäftsträger in Bangkok, Abdullah el-Shuaibi, meinte in einem Moment seltener Offenheit: "Man hätte ihr besser das Handy abgenommen als den Reisepass. Twitter hat alles verändert."

Die junge Frau selbst schrieb in einem ihrer jüngsten Tweets: "Hey, ich bin glücklich." Daneben stellte sie zwei Icons: ein rotes Herz und die gefalteten Hände. So drückt man in Thailand seinen Dank aus.

Auf Twitter bekam sie allerdings nicht nur Lob und Unterstützung, sondern es gab auch wüste Beschimpfungen, bis hin zu Morddrohungen. Am Freitag war ihr Konto zwischenzeitlich nicht mehr erreichbar - aus ihrer Umgebung hieß es, die 18-Jährige habe es selbst deaktiviert.