Der Mann liegt mit dem Gesicht nach unten zwischen zwei Fahrzeugen, am Ende eines langen, staubigen Feldweges, der sich in den Hügeln über dem kalifornischen Concow-See verliert. Auf den ersten Blick sind Körper und Kleidung unversehrt. Man könnte glauben, er sei nur bewusstlos - wären da nicht die schrecklichen Verbrennungen an seinen Waden.

Hölle in Paradise

Der Unbekannte ist ein weiteres der derzeit 31 Todesopfer der furchtbaren Waldbrände, die seit Donnerstag im US-Staat Kalifornien wüten. Gefunden haben ihn Polizisten, die seit drei Tagen in der Kleinstadt Paradise und ihrer ländlichen Umgebung nach Vermissten suchen. Ist der Mann am Rauchgas erstickt? Lebte er auf dem benachbarten Bauernhof, von dem bis auf Dutzende versengte Cannabis-Pflanzen in einem ausgebrannten Gewächshaus nicht viel übrig blieb? "Es ist viel zu früh, das zu sagen", meint der stellvertretende Sheriff aus dem benachbarten Bezirk Yuba.

Die drei Beamten - einer aus dem betroffenen Bezirk Butte County und zwei aus Yuba - wollen anonym bleiben. Schweigsam fahren sie eine steinige, steile Straße ab ohne zu wissen, was sie erwartet und wo genau sie suchen sollen. "Man gewöhnt sich nie daran, muss aber der Realität ins Auge sehen", sagt einer von ihnen mit unbewegter Miene. "Jeder geht anders damit um." Wie er das Ganze verarbeitet? "Da antworte ich lieber nicht drauf." An den Straßenrändern stehen Dutzende verlassene Autos, manche unbeschadet, andere ausgebrannt. Jedes Fahrzeug müssen die Männer auf Leichen durchsuchen - immer begleitet von einem schwarzen Leichenwagen, der bereits einen in der Früh entdeckten Toten transportiert.

Bei den schweren Bränden in den Ausläufern der Sierra-Nevada-Berge nördlich der Hauptstadt Sacramento starben laut vorläufiger Bilanz mehr als 30 Menschen. Mehr als 200 weitere werden allerdings noch vermisst. Allein in der Kleinstadt Paradise im Norden Kaliforniens brannten 6.400 Häuser nieder, der Ort verschwand praktisch von der Landkarte. Auch in anderen Orten Kaliforniens richtete das Feuer Zerstörungen an, darunter die bei Promis beliebte Küstenstadt Malibu. Viele Menschen flüchteten in Auffangzentren oder Hotels. Doch weil die Brände auch Mobilfunkmasten zerstört haben, können sie ihre Angehörigen nicht kontaktieren.

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Andere schafften es nicht, dem Inferno zu entkommen, als die Evakuierungen veranlasst wurde. So wie der Unbekannte, dessen Leiche nun in einen großen, blauen Leichensack gepackt und in den Wagen verladen wird. Fotos, GPS-Koordinaten, Dokumente, die in den Autos gefunden wurden: Die Polizisten sammeln sorgfältig alle Hinweise, die bei der Identifizierung helfen könnten. Dann machen sie sich wieder auf die Suche nach weiteren Opfern. "Wir bekommen Hinweise vom zentralen Kommando", erklärt einer.

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"Es ist ein Tier"

Kurz darauf stoppt der Wagen an einem ausgebrannten Auto, das in einen Baum gekracht ist. Auf einer weißen Plane liegt eine zusammengerollte, verbrannte Masse von der Größe eines Kindes. Mehrere Minuten lang untersuchen die Männer die Überreste und das Fahrzeug. "Kein Schädel, es ist ein Tier", ruft einer schließlich erleichtert. Das Team durchkämmt die abgelegenen Hügel, in denen einige hundert Menschen lebten, ohne weitere Opfer zu finden. Dabei stoßen sie auf einen Bauernhof, den die Bewohner aufgegeben haben: Enten, Hühner, Gänse und Ziegen sind dort nun sich selbst überlassen.

Die unerwartete Entdeckung löst die Spannung der Suchkräfte, ihre Gesichter hellen sich etwas auf. Hinweise auf weitere Opfer gibt es hier nicht, der Leichenwagen hat einen kaputten Reifen von den schlechten Straßen und in einer knappen Stunde geht die Sonne unter: "Für heute sind wir fertig", entscheidet einer. "Morgen machen wir weiter."