Während Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Seenotretter auf eine Stufe mit Schleppern stellt, hat die deutsche Organisation Lifeline dank prominenter Spenden genug Geld für die Anschaffung eines zweiten Schiffes gesammelt. Wie die "Sächsische Zeitung" am Montag berichtet, machte am Wochenende eine Großspende der Rap-Gruppe "Fantastische Vier" die nötigen 475.000 Euro komplett.

Die Stuttgarter Popgruppe hatte am Samstag den mit 30.000 Euro dotierten Jacob-Grimm-Preis "Deutsche Sprache" erhalten und diesen noch am gleichen Abend weiter nach Dresden gereicht. "Wird der Reim richtig eingesetzt findet jeder in einem Text einen Spiegel des eignen Selbst und gewinnt etwas Bleibendes", twitterte Thomas D. zur Begründung. Laut der Zeitung hatte zuvor auch der Münchner Erzbischof und Kardinal Reinhard Marx 50.000 Euro an Lifeline überweisen lassen, die eine Online-Spendenkampagne gestartet hatten.

Bürokratie auf der Bremse

Allerdings ist offen, wann das zweite Schiff in See stechen kann. Laut Lifeline-Vorstand Axel Steier bremst derzeit noch "die Bürokratie in Deutschland", doch ein Ende sei absehbar. Das Lifeline-Stammschiff liegt derzeit in Malta an der Kette, wo dem Schiffskapitän Claus-Peter Reisch der Prozess gemacht wird. Malta und Italien verweigern den Seenotrettern das Einlaufen, sie werfen ihnen vor, das Geschäft der Schlepper zu besorgen.

Kurz hatte den NGOs in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" vorgeworfen, die EU-Flüchtlingspolitik zu konterkarieren. "Und das nicht nur mit dem Ziel, Leben zu retten, sondern gemeinsam mit den Schleppern Menschen nach Mitteleuropa zu bringen." Der ÖVP-Chef hatte dafür Kritik von SPÖ und NEOS sowie von der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" einstecken müssen. Am Montag warf ihm die evangelische Hilfsorganisation Diakonie vor, "mit Mythen und Unterstellungen" zu operieren, was "eines Bundeskanzlers und amtierenden EU-Ratsvorsitzenden nicht würdig". Empört zeigte sich auch der Generalsekretär des Roten Kreuzes, Werner Kerschbaum. "Bitte klare Beweise für diese gravierenden Anschuldigungen."

Seit Monaten stehen NGOs, die Seenotrettung im Mittelmeer betreiben, unter wachsendem Druck der europäischen Regierungen. Kurz ist nicht der einzige Spitzenpolitiker, der sich kritisch geäußert hat. So nannte etwa der italienische Vizepremier Matteo Salvini mit Blick auf Rettungsschiffe: "Diese Schiffe können es vergessen, Italien zu erreichen. Ich will die Geschäfte von Schleppern und Mafiosi unterbinden!"

"Billige Ausrede"

Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte im Juni im Zusammenhang mit Mission Lifeline, die Organisation habe eingegriffen, obwohl die libysche Küstenwachse schon zur Stelle gewesen sei. "Am Ende spielen wir den Schleppern in die Hände", sagte Macron damals mit Blick auf die Dresdner Organisation.

Kapitän Reisch wies den Vorwurf, seine Organisation erleichtere den Schleppern die Arbeit, damals kategorisch zurück. Das sei eine "billige Ausrede dafür, die Leute ertrinken zu lassen", sagte er. "Den Schleppern ist es vollkommen egal, ob da ein Schiff ist."