Aus den Truhen auf dem sandigen Meeresgrund bergen die Taucher keine Perlen oder Goldmünzen, sondern flüssige Kostbarkeiten. Ein Jahr lang wurden vor der Cote d'Azur, 40 Meter unter der Wasseroberfläche, 120 Weinflaschen aus dem Anbaugebiet Bandol gelagert. Winzer und Weinexperten wollen herausfinden, ob die Lagerung im kühlen Nass dem Rebensaft gut tut und die Tropfen veredelt.
Einiges spricht dafür. Ein großer Trend dürfte aus der ungewöhnlichen Lagermethode aber so bald nicht werden. Ausgangspunkt des Experiments sind Funde alter Weine in Schiffswracks. "Wir haben hunderte oder sogar tausende Jahre alte Amphoren gefunden, außerdem Flaschen mit Champagner oder Wein, die vor einigen Jahrzehnten versunken sind", sagt Jerome Vincent von der nationalen Tauschschule im südfranzösischen Saint-Mandrier. "Und die Menschen, die sie probiert haben, fanden sie sehr gut."
120 Flaschen versenkt
Die Winzer aus Bandol wollten der Sache auf den Grund gehen und versenkten 120 mit Wachsverschlüssen abgedichtete Flaschen für ein Jahr im Meer. "Weil es unter Wasser keinen Sauerstoff gibt, wird der Wein in einem Zustand der langen Lagerung aufbewahrt", sagt Guillaume Tari, der Vorsitzende der Bandol-Weinbauern. Die langsame Reifung in der Flasche sei ideal - und gerade bei Rotweinen angesagt, die über längere Zeit veredelt werden.
Eine Premiere ist das Experiment nicht. Schon vor 20 Jahren verkostete der Weinkenner Philippe Faur-Brac, 1992 zum besten Sommelier der Welt gewählt, in einem Austernpark gelagerte Weißweine der angesehenen Anbaugebiete Sancerre und Pouilly. Die Verkostung hat er in bester Erinnerung: Es sei ein "Privileg" gewesen, die "Ausnahmeflaschen" zu probieren.
Säure wird bewahrt
"Die Lagerung im Meer bewahrt die Säure, weil es unter Wasser wenig Licht und keine Luft gibt, es ist relativ kühl und die Temperatur ist konstant", sagt Faur-Brac. Die sanfte Bewegung des Meerwassers sei auch gut für die "Struktur des Weins und gibt ihm eine gewisse Komplexität". So will der Weinexperte in den Unterwasser-Weinen eine besondere "Mineralität" ausgemacht haben.
Blindverkostung
Bei einer Blindverkostung mit Vergleichsweinen, die ein Jahr lang ganz normal im Keller gelagert wurden, erscheint der Bandol-Rotwein vom Meeresboden jünger. Viele Aromen seien aber noch nicht voll entwickelt, bemängelt Verkosterin Gisele Marguin - der Wein braucht also noch etwas Zeit.
Zu kaufen gibt es den Unterwasser-Wein bisher nicht. Es ist außerdem nicht zu erwarten, dass französische Winzer ihre Weine jetzt massenhaft im Meer versenken. Das Verfahren sei einfach zu aufwendig und teuer, sagt Fachmann Faur-Brac.
Ambre Tosunoglu/AFP