Wegen Missbrauchsvorwürfen soll sich einer von Papst Franziskus' engsten Vertrauten, der australische Kardinal George Pell, an diesem Mittwoch vor Gericht verantworten. Der 76-Jährige ist in Melbourne erstmals zu einer Anhörung geladen. Erwartet wird, dass er auch selbst erscheinen wird.
Nummer drei der Vatikan-Hierarchie
Pell steht unter Verdacht, sich als junger Pfarrer in seiner Heimat vor Jahrzehnten an Kindern vergangen zu haben. Der Kardinal weist alle Vorwürfe zurück. Sein Amt als Finanzchef des Vatikans - inoffiziell die Nummer drei der Hierarchie - legte Pell trotzdem nieder. Vom Papst Franziskus ließ er sich Ende Juni beurlauben. Zuvor hatte die australische Justiz nach langen Voruntersuchungen ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Pell ist bisher der höchste katholische Würdenträger, gegen den wegen Kindesmissbrauchs ermittelt wird.
Die australischen Behörden äußerten sich nicht näher dazu, was genau dem Kardinal vorgeworfen wird. In der Vergangenheit hatte es jedoch mehrfach Beschwerden gegeben, die in seine Zeit als Priester in der Gemeinde Ballarat (1976-1980) und als Erzbischof in Melbourne (1996 - 2001) zurückreichen.
Direkte Missbrauchsvorwürfe gegen Pell
So wurde ihm wurde zur Last gelegt, mehrere Buben sexuell belästigt zu haben. Im Juli vergangenen Jahres erhoben zwei Männer direkte Missbrauchsvorwürfe gegen Pell, wonach er sie in den 1970er Jahren in einem Schwimmbad unsittlich angefasst haben soll. Ein weiterer Mann berichtete, Pell habe sich in den 1980er Jahren vor Buben in einem Umkleideraum am Strand entblößt.
Der Papst-Vertraute kündigte an, das Gericht von seiner Unschuld überzeugen zu wollen. "Ich bin unschuldig. Diese Anschuldigungen sind falsch", sagte er Ende Juni. "Die ganze Vorstellung von sexuellem Missbrauch ist abscheulich für mich." Der Vatikan verwies seinerzeit darauf, dass Pell seit Jahrzehnten den Missbrauch von Kindern immer wieder als "unmoralisch und nicht hinnehmbar" verurteilt habe.
Kardinal will selbst erscheinen
Vor seiner Versetzung nach Rom Anfang 2014 war Pell Erzbischof von Melbourne und Sydney. Franziskus ernannte ihn dann zum Leiter einer neuen Aufsichtsbehörde für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Vatikans. Zudem sitzt er in einem Neuner-Gremium, das den Papst in Fragen einer Reform der römisch-katholischen Kirche berät.
Die Vorwürfe sind besonders heikel, weil Pell eingeräumt hatte, dass Australiens katholische Kirche den Missbrauch von Kindern lange Jahre heruntergespielt habe. Vergangenes Jahr wurde er dann von drei australischen Polizeibeamten in Rom erstmals in eigener Sache verhört. Nach australischen Medienberichten will er am Mittwoch selbst erscheinen und sich nicht durch einen Anwalt vertreten lassen. Wie lange die Anhörung dauert und wie konkret sie wird, ist offen.