Und es wird Nachbeben geben. Davon ist Helmut Hausmann von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg) überzeugt: "Die Nachbeben werden – vor allem rund um das Epizentrum – noch Monate andauern". Und der Experte führt weiterhin aus: „In ganz seltenen Fällen kann ein Nachbeben sogar stärker als das Hauptbeben sein". Urlauber in betroffenen Gebieten werden also die wuchtige Nachbebentätigkeit zu spüren bekommen, ist Hausmann überzeugt.
Das ist wohl auch mit ein Grund, dass sich viele Touristen am Flughafen in Kos einfinden: Sie wollen weg. Der Flughafen war den ganzen Freitagvormittag gesperrt, als er auf Schäden kontrolliert wurde. Der Reiseveranstalter TUI gab Entwarnung: "Der Flughafen Kos war in der Nacht kurzzeitig geschlossen. Mittlerweile läuft der Flugbetrieb wieder. Alle geplanten Flüge sollen durchgeführt werden. Es kann jedoch zu leichten Verspätungen kommen."
Schock nach Beben
Ein starkes Seebeben vor Kos hat mindestens zwei Menschen das Leben gekostet und Panik unter den Bewohnern der Ägäis-Insel ausgelöst. Wie mittlerweile bekannt wurde, handelt es sich bei den Todesopfern um ausländische Touristen aus Schweden und der Türkei. Das sagte der Gouverneur der Region Süd-Ägäis, Giorgos Chatzimarkos, im griechischen Rundfunk. Die beiden Opfer seien von einstürzenden Teilen einer Wand einer Bar getroffen worden. Rund 120 weitere Menschen wurden durch das schwere Beben verletzt, fünf von ihnen schwer, wie es aus Diplomatenquellen hieß. Die Sachschäden sind enorm.
Auch in der nahegelegenen Türkei riss das Beben in der Haupturlaubszeit zahlreiche Menschen aus dem Schlaf. Die Erdbebenwarte in der griechischen Hauptstadt Athen gab die Stärke des Bebens mit 6 an. Laut der US-Erdbebenwarte USGS lag das Epizentrum des Bebens der Stärke 6,7 nahe der türkischen Stadt Bodrum. In der bei Urlaubern beliebten Region im Südwesten des Landes brach die Stromversorgung teilweise zusammen.
Obwohl sich zahlreiche Österreicher in Kos aufhalten, dürfte niemand von ihnen zu Schaden gekommen sein. "Unsere Botschaft vor Ort ist mit den Behörden auf Kos und mit den Spitälern in Kontakt, um sicherzustellen, dass keine Österreicher betroffen sind", sagte Außenministeriums-Sprecher Thomas Schnöll zur APA. Diese Informationen werden an das Ministerium weitergeleitet. Im Moment sei es nicht nötig, Menschen aus Kos zurück nach Österreich zu bringen. Reisende sowie ihre Angehörigen können sich an das Bürgerservice unter der Nummer 0501150 4411 wenden. "Im konkreten Fall gibt es kaum Anrufe von Angehörigen, alles deutet darauf hin, dass keine Österreicher betroffen sind", sagte Schnöll.
Eine Steirerin, die das Erdbeben in der Stadt Bodrum miterlebte, schildert ihre Erfahrungen der vergangenen Nacht:
Flughafen intakt
Das Außenministerium rät allen Reisenden, sich über das Formular des Ministeriums zu registrieren. Dort können Auslandsurlauber generell Kontakt- und Reiseinformationen hinterlassen. So können Betroffene im Erdbebengebiet rasch kontaktiert werden. Derzeit sind 400 Österreicher in Griechenland registriert. Das Außenministerium in Wien rief die Urlauber auf, den Anweisungen der lokalen Sicherheitskräfte bzw. des Zivilschutzes Folge zu leisten. Der Flughafen in Kos sei derzeit in Betrieb.
Zwei junge Menschen starben in Bar
Aus Athen wurden Rettungsmannschaften mit zwei Hubschraubern und einem Flugzeug nach Kos geschickt. Vor allem im Zentrum der Stadt, wo sich Dutzende Bars befinden, kam es nach Worten von Bürgermeister Giorgos Kyritsis zu Schäden. Zum Zeitpunkt des Bebens am frühen Freitagmorgen (Ortszeit) waren die Bars am Hauptplatz von Kos voller Menschen. Das Dach einer Bar sei eingestürzt, sagte der Bürgermeister dem Sender ERT. Dort sollen auch die zwei jungen Menschen ums Leben gekommen sein.
Drei der ins Krankenhaus gebrachten Patienten seien schwer verletzt, aber nicht in Lebensgefahr, berichtete ERT unter Berufung auf Ärzte der Klinik.
Viele Menschen verbrachten die restliche Nacht im Freien, aus Angst vor weiteren Erdbeben:
Das griechische Fernsehen zeigte Bilder von eingestürzten Mauern der Burg in der Altstadt. Die durch den Tsunami ausgelösten Wellen hätten das Hafenviertel überschwemmt, berichteten Augenzeugen. Mehrere Boote wurden beschädigt, mindestens eines wurde an Land gespült. Aufnahmen des griechischen Staatsfernsehens zeigten Geröll überall entlang der Kaimauer. Eine Fähre konnte laut ERT wegen der Schäden nicht im Hafen anlegen.
Auf Videos sind Boote zu sehen, die an Land geschoben und ineinander verkeilt wurden:
13 Verletzte mussten dem griechischen Zivilschutz zufolge in Spezialkliniken nach Athen und per Rettungshubschrauber auf die Inseln Rhodos und Kreta gebracht werden. Auch eine Schweizerin wurde verletzt. Von den etwa 1.830 Asylsuchenden, die derzeit auf Kos in Containern leben, wurde laut Polizei keiner verletzt. Kos war in den vergangenen Jahren als Teil der Flüchtlingsroute in die Europäische Union in den Schlagzeilen.
Das Beben beschädigte neben dem Amüsierviertel von Kos auch die zwei Häfen der Insel schwer, den Jachthafen und den Fährhafen. Der Hafenpolizei zufolge konnten bis auf Weiteres keine Fähren mehr anlegen. Der Flughafen der Insel sei aber intakt, teilte Verkehrsminister Christos Spirtzis mit.
Mit Nachbeben ist zu rechnen
Es gab unterschiedliche Messungen der Stärke des Bebens. Der Chef der griechischen Erdbebenbehörde, Efthymios Lekkas, sagte im griechischen Radio, das Seebeben habe eine Stärke von 6,5 gehabt. Die US-Erdbebenwarte (USGS) gab die Stärke mit 6,7 an.
Das Zentrum des Bebens lag laut USGS nahe der türkischen Küstenstadt Bodrum in etwa zwölf Kilometer Tiefe und wurde gefolgt von mehreren schwächeren Nachbeben. Bodrum liegt rund zehn Kilometer Luftlinie entfernt von Kos. Nach Angaben des Europäischen Seismologischen Zentrums leben rund eine Million Menschen in der Region, in der die Erschütterungen zu spüren waren. Bewohnern von Kos und Bodrum wurde geraten, sich von Stränden und beschädigten Gebäuden fernzuhalten. Mit Nachbeben ist zu rechnen: Urlauber in den betroffenen Gebieten werden die wuchtige Nachbebentätigkeit zu spüren bekommen, sind die Experten überzeugt.
Das türkische Fernsehen zeigte Aufnahmen von verängstigten Menschen, die in der Küstenregion von Bodrum auf die Straßen liefen. Die Gouverneurin der betroffenen Provinz Mugla, Esengul Civelek, sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu, es gebe bisher keine Berichte über Opfer oder strukturelle Schäden. "Wir konnten Kontakt zu allen Bezirken aufnehmen", sagte Civelek, auch wenn es teils Probleme mit der Stromversorgung gebe. Einige Menschen würden die Nacht aus Angst vor weiteren Nachbeben im Freien verbringen.
Als Reaktion auf das schwere Erdbeben in der Ägäis hat die Europäische Union Griechenland und der Türkei umfassende Unterstützung angeboten. "Die EU steht uneingeschränkt bereit zu helfen", teilte Krisenmanagement-Kommissar Christos Stylianides am Freitag mit. Das Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen verfolge die Entwicklungen rund um die Uhr und könne theoretisch sofort tätig werden. Zudem bot Stylianides den nationalen Behörden an, den EU-Satellitenbilder-Dienst EMS nutzen
Keine Stornos und Umbuchungen
Stornierungen und Umbuchungen sind für Kos, wo sich in der vergangenen Nacht ein schweres Erdbeben ereignet hat, nicht möglich. Grund ist, dass der Flughafen intakt ist, erläuterte eine Sprecherin der größten heimischen Reisebürokette, Ruefa, am Freitag auf APA-Anfrage. 315 Österreicher sind derzeit über Ruefa und Eurotours auf Kos. Verzögerungen gebe es im Fährverkehr.
Alle Ruefa- und Eurotours-Reisenden, die bisher erreicht wurden, sind der Sprecherin zufolge wohlauf. "Wir haben bisher keine Rückmeldung, dass jemand zu Schaden gekommen wäre." Kunden, die für die kommenden Tage ihre Kos-Reise mit Fähre gebucht haben, werden dazu aufgerufen sich bei Ruefa zu melden.
Ab Samstag, 22. Juli bis zum 30. Juli haben 194 Österreicher über Ruefa Kos-Reisen gebucht.
Erst Mitte Juni hatte die Erde auf den Inseln Lesbos, Chios und an der Westküste der Türkei gebebt. Auf Lesbos kam ein Mensch ums Leben, viele Häuser wurden zerstört. Die Erschütterungen waren noch Hunderte Kilometer vom Zentrum des Bebens entfernt zu spüren.
Im europäischen Raum kommen die meisten Erdbeben in Griechenland, den südlichen Teilen des Balkans sowie im Westen der Türkei vor. Auch Italien und der westliche Balkan sind besonders betroffen. Der größte Teil der schweren europäischen Beben ereignet sich nahe den Rändern von Afrikanischer und Europäischer Platte. Dort kann es zu Spannungen kommen, die zu Beben führen.