Im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal bei den Regensburger Domspatzen hat Kapellmeister Roland Büchner schwere Vorwürfe gegen seinen Vorgänger Georg Ratzinger erhoben. "Es herrschte ein System der Angst", sagte Büchner über die Zeit des Bruders von Papst Benedikt XVI. als Chorleiter der Domspatzen der Wochenzeitung "Die Zeit" laut einer Vorabmeldung vom Mittwoch.
"Das muss ans Licht, auch wenn es weh tut", sagte Büchner, der davor warnte, die Gewalttaten gegen 547 ehemalige Chorknaben zu verharmlosen. Zwar habe es sich meist nicht um Missbrauch, sondern um Schläge gehandelt. "Das waren aber nicht 'nur' Ohrfeigen, sondern regelrechte Misshandlungen - es wurde gewütet, es waren Körperverletzungen."
Ratzinger sei "impulsiv, ja fanatisch" gewesen, "wenn er seine Vorstellungen von musikalischer Qualität durchsetzte". "Bei Proben war er unerbittlich, danach konnte er der sanftmütigste Mensch der Welt sein - manche Schüler sahen ihn als Vorbild, andere fürchteten ihn als Schläger", sagte Büchner.
Alle Fälle vor 1994
Büchner kam 1994 ins Amt des Chorleiters. Sämtliche Fälle von Gewalt, die der Abschlussbericht des Bistums Regensburg auflistet, lagen in der Zeit davor. Auf die Frage, ob er Kenntnis von Gewalttaten hatte, sagte Büchner: "Ich wusste, da war was."
Er bereue es, "nicht offensiv auf die Opfer zugegangen" zu sein und nicht "noch stärker auf umfassende Aufklärung gedrungen" zu haben. "Mit dem Abschlussbericht ist die Aufklärung geleistet, folgen muss Aufarbeitung", sagte Büchner.
Der zur Aufarbeitung des Missbrauchskandals bei dem Knabenchor eingesetzte Rechtsanwalt Ulrich Weber hatte am Dienstag seinen Abschlussbericht vorgelegt. Demnach wurden über die Jahrzehnte insgesamt 547 Kinder Opfer von körperlicher und sexueller Gewalt.