Als heute vor 21 Jahren das erste geklonte Säugetier das Licht der Infrarotlampe erblickte, wusste niemand - außer dem engsten Team an Wissenschaftlern - von dessen Existenz. Weder das unschuldige Lämmchen Dolly noch die Weltöffentlichkeit war sich den Auswirkungen dieses bahnbrechenden Experiments bewusst. Und selbst das Team an Wissenschaftlern - die geistigen Väter Dollys - war zurückhaltend und wartete mit einer offiziellen Stellungnahme ab. Bis Dolly im Februar des Jahres 1997 öffentlich präsentiert wurde war sie das bestgehütetste Geheimnis Schottlands. Was war so neu, so aufregend, so tabubrechend, so fortschrittlich, so kontrovers?
Vorgangsweise der Klonung & ethische Grundfragen
Um die genaue Vorgehensweise einer Klonung zu verstehen ist fundiertes molekularbiologisches Wissen erforderlich. Die folgende Erklärung mag einem Profi dieses Gebiets also vorkommen als würde Shakespeares König Lear auf einen Satz reduziert werden. Der Satz würde lauten "Ein einfältiger König wählt die falsche Tochter aus.", die Erklärung der Dolly-Klonung wie folgt: Dolly hatte keinen leiblichen Vater, doch drei Mütter. Von der ersten wurde die Eizelle entnommen und der Zellkern entfernt. In diese Stelle wurde nun eine Euterzelle der zweiten Mutter eingepflanzt. Das Paket von Eizelle und neuem Zellkern wurde anschließend einem dritten Schaf eingepflanzt. Dieses trägt Dolly aus und fungiert somit als dritte Mutter. Schafsinnige Leser haben bestimmt schon erkannt, dass Dolly nun eine idente Kopie der zweiten Mutter ist. Schließlich stellt diese den Zellkern, in dem die Erbinformation gespeichert ist.
Die Aufregung nach der ersten öffentlichen Präsentation war verständlicherweise groß, die Bevölkerung stand dem wissenschaftlichen Durchbruch skeptisch gegenüber: "Mit dem Klonen eines Schafes verschiebt sich die ethische Basis", titelte die New York Times. Sie sollte recht behalten. Damals unmögliche Eingriffe ins Erbgut werden zu Alltäglichem. In den USA und in China werden seit Jahren preisgekrönte Zuchttiere geklont, ein medial nicht wahrgenommener Tabubruch. Gentechnisch veränderte Pflanzen verdrängen andere und in der Medizin bereitet sich die Gentechnik gerade auf einen Siegeszug vor.
Verabsäumte Fragestellung
Eine Gesellschaft in ewigem Wandel, die mit grotesker Gleichgültigkeit unangenehme ethische Fragen ablehnt sollte dennoch zügig Stellung beziehen: Wie gehen wir diesbezüglich mit unseresgleichen, mit Menschen um?
Denn obwohl Errungenschaften auf dem Gebiet der Gentechnik zweifellos zahlreiche Vorteile bietet (mittlerweile wissen wir dank Sequenzierung welche Gene der Mensch konkret besitzt) birgt sie auch Potential zum Missbrauch: Mit großer Sicherheit wird die DNA nicht mehr lediglich gelesen sondern à la longue auch geschrieben werden. Alle Vorteile und Risiken inbegriffen. Das europäische Parlament setzt sich deshalb vorbeugend für ein Klonverbot ein und schiebt ethische Grundfragen vor sich her. Doch die Forschung wird deshalb nicht stillgelegt. Irgendwann müssen wir uns alle die Gretchenfrage stellen...
Gabriel Prödl