Mit der Befragung des Fünftangeklagten ist am Freitag im südungarischen Kecskemet der Prozess gegen eine Schlepperbande fortgesetzt worden, die für den Erstickungstod von 71 Flüchtlingen verantwortlich sein soll. Der 52-jährige bulgarisch-libanesische Doppelstaatsbürger behauptet laut ungarischer Nachrichtenagentur MTI, er habe seit 1996 mit dem bulgarischen Inland-Abwehrdienst kooperiert.

Der Mann - ein Autohändler - verweigerte vor Gericht die Aussage, so dass der Richter die Protokolle seiner polizeilichen Einvernahmen vorlas. Aus denen ging einerseits hervor, dass der 52-Jährige jegliche Schuld am Drama auf der A4 von sich weist. Es seien "politisierte, fiktive Anschuldigungen", die gegen ihn vorgebracht würden.

>> Die Beschuldigten im Schlepperprozess

Andererseits behauptet der Autohändler, er habe im Zusammenhang mit dem A4-Flüchtlingsdrama anfänglich erworbene Informationen über die Bande in Bulgarien an die dortigen Sicherheitsorgane weitergegeben. Der Haupt- und der Zweitangeklagte hätten ihn gebeten, beim Erwerb von Bussen und Lastwagen zu helfen, die zum Schein im Namen bulgarischer Staatsbürger gekauft wurden. Erst nach einem Zwischenfall, als von der Polizei in einem solchen Fahrzeug geschleppte Menschen entdeckt wurden, hätte er verstanden, womit sich der Haupt- und Zweitangeklagte überhaupt beschäftigen. Darauf habe er sich zum ersten Mal in Bulgarien an die Sicherheitsorgane gewandt.

Laut seinen Angaben will der Fünftangeklagte darauf gedrängt haben, dass die ungarische und bulgarische Polizei gemeinsam der Schlepperbande das Handwerk legen. Der hauptangeklagte Afghane habe einen ebenfalls afghanischen Helfer in Serbien, verriet der 52-Jährige der Polizei. Auf diesem Weg seien täglich mehrere hundert Migranten über die Grenze nach Ungarn geholt worden. Der Zweitangeklagte hätte vom Hauptangeklagten 5.000 Euro für jede Schlepperfahrt nach Österreich und 8.000 Euro für Fahrten nach Deutschland erhalten, wovon 500 Euro an die Chauffeure gingen.

Mit der Erörterung der Aussagen des Fünftangeklagten wird am 5. Juli fortgesetzt. Möglicherweise wird dann auch öffentlich dargetan, was es mit der angeblichen Tätigkeit für den bulgarischen Geheimdienst im Detail auf sich hat. Dem 52-Jährigen drohen bei einem Schuldspruch wegen organisierter Schlepperei bis zu 20 Jahre Haft.

Sechstangeklagter wurde verhört

Zuvor war am Freitagvormittag der Sechstangeklagte, ein 37-jähriger Bulgare, weiterverhört worden. Er hatte mit dem Fünftangeklagten beim Kauf von Fahrzeugen kooperiert, die für die Schlepperfahrten verwendet wurden. Auch ihm droht wegen organisierter Schlepperei eine unbedingte Freiheitsstrafe von bis zu 20 Jahren. Angeworben für die Schleppertätigkeit habe ihn der Zweitangeklagte, so der 37-Jährige. Dieser soll dem 37-Jährigen, dessen Autotrailer defekt war, technische Hilfe versprochen haben, falls er Migranten von Ungarn nach Österreich bringe. Auf Anweisung des Zweitangklagten hätte er rund 20 Flüchtlinge illegal nach Österreich gefahren und diese hinter Wien aussteigen lassen, so der Sechstangeklagte.

Den Fünftangeklagten kennt der 37-Jährigen eigenen Angaben nach seit Jahren als Autohändler. Es habe angesichts des "Vertrauensverhältnisses" niemals Probleme mit diesem gegeben, hatte der Mann der Polizei anvertraut.