Nach der Brandkatastrophe mit mindestens 80 Toten versinkt die zuständige Verwaltung des Londoner Bezirks Kensington und Chelsea immer mehr im Chaos. Am Freitag mussten der Bezirksvorsitzende und der Leiter der kommunalen Wohnungsgesellschaft ihren Hut nehmen.

Zuvor hatte die BBC geleakte Dokumente veröffentlicht, aus denen hervorgehen soll, dass für das Hochhaus zunächst andere, weniger leicht entflammbare Fassadenteile vorgesehen waren. Erst nachträglich soll sich die Verwaltung aus Kostengründen für die billigere Verkleidung entschieden haben. Die Fassade spielte eine wesentliche Rolle bei der schnellen Ausbreitung des Feuers.

Gleichzeitig klagen Überlebende der Brandkatastrophe noch immer über schlechte Organisation bei der Unterbringung der Überlebenden und der Zuteilung von Hilfsgeldern. Am Donnerstagabend war es bei einer Sitzung des Bezirksrats in Kensington und Chelsea zu tumultartigen Szenen gekommen, nachdem der Vorsitzende die Öffentlichkeit ausschließen wollte.

Betreiber pochten auf billige Verkleidung

Es gibt neue schwere Vorwürfe gegen die kommunale Hausverwaltung: Wie die britische Zeitung "The Times" und der Rundfunksender BBC am Freitag berichteten, hat das vom Bezirk Kensington und Chelsea beauftragte Gebäudemanagement KCTMO bei der Sanierung auf Kostensenkungen gepocht.

Die für die Fassadenverkleidung zuständige Baufirma wurde demnach gebeten, den Sozialbau mit billigeren, aber weniger feuerfesten Platten zu verkleiden. In einem E-Mail an die beauftragte Firma Artelia UK verlangte die Hausverwaltung dem Bericht zufolge im Juli 2014 einen "guten Preis" für die Sanierung. Sie schlug demnach unter anderem vor, statt Zinkplatten leichter entflammbare Aluminiumplatten zu verwenden - und damit rund 293.000 Pfund (333.000 Euro) einzusparen.

Mindestens 79 Tote

Bei dem Brand im Londoner Grenfell Tower waren in der Nacht auf den 14. Juni mindestens 79 Menschen ums Leben gekommen. Das Feuer in dem Hochhaus war nach Erkenntnissen der Ermittler durch einen defekten Kühlschrank ausgelöst worden. Die Flammen hatten sich dann rasend schnell über die Fassade ausgebreitet, die mit Platten aus Aluminium und dem Kunststoff Polyethylen verkleidet war.

Nach der Brandkatastrophe hatte die britische Regierung eine Überprüfung sämtlicher Sozialbauten im Land angeordnet. Bei den Sicherheitstests fielen bisher alle 137 überprüften Hochhäuser durch. Am Donnerstag beauftragte Regierungschefin Theresa May den pensionierten Richter Martin Moore-Bick mit der Untersuchung der Tragödie. Der Gemeinderat Kensington und Chelsea vertagte am Abend seine erste Sitzung seit der Katastrophe - nachdem ein Ausschluss der Öffentlichkeit abgelehnt worden war.