Besserung dieses Zustands ist nicht in Sicht. Die Anstalten "funktionieren nicht" und "stehen unter ständigem Druck", wie sogar Liz Truss, die bis zur Kabinettsumbildung vor kurzem noch Justizministerin war, offen einräumte.

Die Wächter haben die Situation oftmals nicht mehr unter Kontrolle. Ein Beispiel dafür ist ein Gefängnis in Birmingham, in dem vor wenigen Monaten der größte Aufstand in einer britischen Strafanstalt seit fast 30 Jahren ausgebrochen war. Hunderte Häftlinge hatten sich daran beteiligt. Eine Inspektion fand verheerende Zustände hinter Gittern vor: Besonders der sehr leichte Zugang zu Drogen fördert die Gewalt, wie aus dem jetzt veröffentlichten Abschlussbericht hervorgeht.

Birmingham ist kein Sonderfall. Vor knapp zehn Jahren lag die Zahl schwerer Gewalttaten in Gefängnissen in England und Wales bei rund 1.500. Mehr als doppelt so viele wurden 2016 registriert.

Zahl der Häftlinge explodierte

Die Regierung hatte sparen wollen. Seit 2011 wurden 18 Justizvollzugsanstalten geschlossen, andere privatisiert. Das Problem: Die Zahl der Gefangenen nahm extrem zu - innerhalb von zwei Jahrzehnten in England und Wales um 90 Prozent. 1991 hatten die Landesteile insgesamt 45.000 Häftlinge, 2011 waren es schon 85.000.

"Strafpolitik in England und Wales wurde stark politisiert", sagte der Kriminologe Leonidas Cheliotis von der London School of Economics and Political Science. "Trotz fallender Kriminalitätsraten und obwohl es Nachweise gibt, dass Gefängnishaft sehr teuer und zugleich ineffektiv ist, haben mehrere Regierungen in Folge versucht, ihre eigene Autorität in den Augen der Öffentlichkeit zu stärken." Das sieht die Konservative Truss anders: Sie führt den Anstieg vor allem auf die häufigere Verurteilung von Sexualstraftätern zurück.

"Krebsgeschwür"

Eine Überbelegung, die der prominente Richter Lord Harry Woolf einmal als "ein Krebsgeschwür" bezeichnete, erschwert die Überwachung - von Resozialisierung ganz zu schweigen. Die zuständigen Stellen behaupteten weiterhin, Resozialisierung sei ein Kernbestandteil des Strafvollzugs, so Cheliotis. "Aber das wird dadurch widerlegt, dass es keine Bemühungen gibt, die Konzepte für Resozialisierung zu definieren und ihre Wichtigkeit zu betonen. Man tendiert zudem dazu, die Fehler nur beim Einzelnen zu suchen und nicht etwa bei sozialen Problemen wie Arbeitslosigkeit", sagte der Wissenschafter.

Ein weiteres landesweit bekanntes Beispiel für die Fehlentwicklungen ist das Pentonville-Gefängnis. Der baufällige Komplex steht, umringt von Wohnsiedlungen, im Norden Londons. Hinter den hohen Mauern herrscht Chaos. Häftlinge müssen sich kleine Zellen teilen sowie Schmutz und Ungeziefer ertragen. Im vergangenen Oktober wurde ein Insasse erstochen. Danach kam es zu weiteren Attacken.

Extrembeispiel des Versagens

Für Ex-Justizminister Michael Gove ist das Pentonville-Gefängnis "das extremste Beispiel des Versagens". Der frühere Gefängniswächter und Gewerkschaftsführer Mike Rolfe griff zu noch drastischeren Worten: "Es passiert in dieser Minute ein Blutbad in den Gefängnissen. Die Mitarbeiter gehen in die Knie, haben alle Hoffnung, alle Motivation verloren. Inhaftierte sind verängstigt."

Nach Statistiken des Justizministeriums gab es 2016 in den Gefängnissen fast 70 Angriffe - nicht im ganzen Jahr, sondern pro Tag. Fast jeder vierte richtete sich gegen Gefängnismitarbeiter.

Auch der neue Justizminister David Lidington will nicht gezielt die Zahl der Haftstrafen reduzieren. Er hat versprochen, langfristig 10.000 neue Gefängnisplätze zu schaffen. Das angepeilte Ziel, bis Ende 2018 etwa 2.500 neue Vollzugsbeamte einzustellen, hält er für realistisch. "Mehr Angestellte werden Spielräume schaffen, um die direkte Betreuung von Straftätern durch Eins-zu-Eins-Unterstützung zu gewährleisten", sagte der Minister. Priorität hätten für ihn die Verbesserung von Strafvollzug und Resozialisierung.