Nach der Brandkatastrophe mit Dutzenden Toten in London richtet sich der Blick auf die Klärung der Ursachen und mögliche Lehren für die Zukunft. Schatzkanzler Philip Hammond geht davon aus, dass die am Grenfell Tower benutzte brennbare Gebäudeverkleidung in Großbritannien verboten ist.
Prüfung von gesetzlichen Verstößen
Die strafrechtliche Untersuchung des Unglücks solle nun prüfen, ob es bei der Renovierung des Wohnhochhauses gesetzliche Verstöße gegeben habe, sagte der Tory-Politiker im BBC-Fernsehen am Sonntag. Sowohl die Behörden als auch das zuständige Bauunternehmen waren nach dem Brand des Hochhauses im Stadtteil Kensington in die Kritik geraten. Die erst vor kurzer Zeit angebrachte Verkleidung des Gebäudes soll Berichten zufolge zu der Katastrophe beigetragen haben.
Nach dem verheerenden Feuer geht die britische Polizei derzeit von mindestens 58 Todesopfern aus. Die Zahl könne aber noch steigen, hieß es. Berichten zufolge lebten zwischen 400 und 600 Menschen in dem 24 Stockwerke hohen Sozialbau. 18 Verletzte waren am Sonntag noch im Krankenhaus, neun von ihnen in kritischem Zustand, wie die britische Gesundheitsbehörde NHS mitteilte.
Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan brachte unterdessen den Abriss von veralteten Gebäuden ins Gespräch. Dies könne bei Hochhäusern aus den 60er- und 70er-Jahren aus Sicherheitsgründen nötig werden, schrieb er in einem Beitrag für den "Observer". In der Wiederaufbauphase nach dem Krieg seien viele Hochhäuser entstanden, die heutigen Standards nicht mehr entsprächen, so Khan. Im Grenfell Tower soll es Berichten zufolge keine angemessenen Fluchtwege gegeben haben.
Inferno war ein "vermeidbarer Unfall"
Khan sieht als Ursache für die Brandkatastrophe am Londoner Grenfell Tower eine Serie von Fehlern bei den zuständigen Verantwortlichen. Das Inferno sei ein "vermeidbarer Unfall" gewesen, sagte Khan am Sonntag dem Sender BBC, nachdem er an einer Trauerzeremonie für die Opfer der Katastrophe teilgenommen hatte.
"Diese Tragödie ist die Folge von Fehlern und Nachlässigkeiten vonseiten der politischen Verantwortlichen, des Rathauses (im Bezirk) sowie der Regierung", sagte Khan. Das Feuer im Grenfell Tower im Westen Londons war in der Nacht zum vergangenen Mittwoch ausgebrochen; vermutlich fast 60 Menschen kamen in den Flammen ums Leben.
"Die Anrainer haben das Gefühl, schlecht behandelt zu werden, weil einige von ihnen arm sind", sagte Bürgermeister Khan weiter. Überlebende und Angehörige der Todesopfer werfen den örtlichen Behörden vor, diese hätten die zahlreichen Hinweise und Warnungen hinsichtlich der Sicherheitsmängel in dem Sozialwohnungsbau missachtet. Unter anderem gab es Warnungen, weil ein Notausgang, Feuerlöscher sowie ein funktionierender Feueralarm fehlten.
Schweigeminute für die Opfer
Mit einer Schweigeminute an diesem Montag wollen die Briten der Opfer des Unglücks gedenken. Um 11.00 Uhr Ortszeit (12.00 Uhr MESZ) soll in allen öffentlichen Gebäuden Stille herrschen.
Premierministerin Theresa May hatte bei einem Treffen mit Opfern und freiwilligen Helfern am Samstag Fehler der Regierung bei der Reaktion auf das Unglück eingeräumt. Die Unterstützung der Angehörigen, die kurz nach der Katastrophe Hilfe oder Informationen brauchten, sei "nicht gut genug" gewesen. May kündigte weitere Hilfen an - unter anderem zur psychologischen Betreuung der Rettungsdienste und der Angehörigen der Opfer.
Kritiker hatten der Premierministerin vorgeworfen, nach dem Großbrand nicht schnell genug reagiert und die Opfer im Stich gelassen zu haben. Bei wütenden Protesten in der britischen Hauptstadt am Freitag und Samstag hatten Demonstranten den Rücktritt Mays gefordert.