In einer überraschenden Wendung ist der Missbrauchsprozess gegen den US-Fernsehstar Bill Cosby ergebnislos beendet worden. Das entschied der zuständige Richter Steven O'Neill am Samstag in Norristown, nachdem sich die Geschworenen in mehr als 52-stündigen Beratungen nicht auf ein Urteil einigen konnten.
Nur ein Etappensieg für TV-Star
Für Cosby ist es aber nur ein Etappensieg. O'Neill wünscht eine Neuauflage des Prozesses in spätestens vier Monaten. Cosby, der keine Reaktion auf die Entscheidung zeigte, bleibe angeklagt, erklärte Richter O'Neill in Norristown im Bundesstaat Pennsylvania. Der Schauspieler bleibe gegen Kaution auf freiem Fuß. Der Staatsanwalt des Distrikts Montgomery, Kevin Steele, kündigte umgehend an, er werde ein neues Verfahren beantragen. Für ihn ist das Urteil eine Niederlage, weil er mit seinen Argumenten die Jury nicht überzeugen konnte.
Cosby wird von rund 60 Frauen beschuldigt, sie in früheren Jahrzehnten missbraucht zu haben. Die meisten Anschuldigungen sind verjährt. Der Prozess beschränkte sich auf einen einzigen Fall aus dem Jahr 2004. Die heute 44-jährige Andrea Constand wirft Cosby vor, sie damals in seinem Haus in Philadelphia mit Tabletten betäubt und sich dann an ihr vergangen zu haben.
30-jährige Haftstrafe drohte
Im Falle einer Verurteilung hätte dem 79-jährigen Schauspieler eine bis zu 30-jährige Haftstrafe gedroht. Doch die tagelangen Beratungen der zwölf Geschworenen verliefen ergebnislos. Die Jury aus sieben Männern und fünf Frauen konnte sich nicht auf ein Urteil einigen. Das US-Rechtssystem sieht bei Strafprozessen zwingend eine einstimmige Entscheidung der Geschworenen vor.
Cosby selbst schwieg nach Prozessende. Seine 53-jährige Frau Camille, mit der er fünf Kinder hat, äußerte ihre Genugtuung über die Entscheidung. In einer Erklärung warf sie dem Staatsanwalt "abscheuliches" Verhalten vor, den Richter bezeichnete sie als "arrogant", die Berichterstattung in zahlreichen Medien als "offenkundig bösartig".
Der Staatsanwalt sagte, Constand habe "ein Anrecht auf ein Urteil". Constand selbst erklärte, das Verfahren vor Gericht habe "zahlreichen Opfern eine Stimme gegeben, die sich machtlos und zur Stille verdammt fühlten".
"Vielleicht ist es noch nicht vorbei"
Die Rechtsanwältin Gloria Allred, die zahlreiche mutmaßliche Opfer Cosbys vertritt, begrüßte die Ankündigung der Staatsanwaltschaft, das Verfahren neu aufzurollen. "Vielleicht ist es noch nicht vorbei", sagte sie. Sie äußerte die Hoffnung, dass sich die Jury in einem neuen Prozess auf einen Schuldspruch einigt.
Cosby hatte in dem Strafprozess nicht ausgesagt. Sein Anwalt hatte in seinem Abschlussplädoyer am Montag Constands Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen. Cosbys Verteidiger verwies auf angebliche Widersprüche in ihren Aussagen. Constand hatte anfangs abweichende Angaben zum Datum des Vorfalls und zu den vorhergehenden und nachfolgenden Ereignissen gemacht. Das Hauptargument der Verteidigung lautete, dass Cosby zwar sexuellen Kontakt mit der damaligen Universitätsmitarbeiterin hatte - dieser sei aber einvernehmlich gewesen.
Cosby wurde in den USA jahrzehntelang als "Amerikas Dad" verehrt. In der Rolle als liebenswürdiger Arzt und gutmütiger Familienvater in seiner "Cosby Show" war er einer der beliebtesten TV-Stars des Landes. Inzwischen haben sich die meisten Kollegen aus dem Show-Business von ihm abgewandt.