Die Zahl ist erschreckend: 15 Millionen Mädchen werden jährlich weltweit verheiratet – vor ihrem 18. Geburtstag und meist gegen ihren Willen. In Syrien ist die Zahl der geschlossenen Kinderehen in den letzten Jahren von 13 auf 51 Porzent gestiegen. Auch in Deutschland konnten bisher mit Einverständnis der Behörden Ehen geschlossen werden, wenn das jüngere Kind älter war als 16 und ein Elterteil zustimmte.

Das ist nun vorbei. Der Bundestag beschloss ausnahmslos ein Heiratsverbot für Jugendliche. Die Neuregelung sieht die Aufhebung der meisten bestehenden Kinderehen vor. Ehen unter 16 gelten künftig von vornherein als nichtig.

Mit dem Gesetz wird auf die steigende Zahl verheirateter minderjähriger Flüchtlinge reagiert, die ins Land kamen und kommen: 2016 waren 1475 Ehen Minderjähriger registriert, die im Ausland geschlossen worden waren. 994 davon waren zwischen 16 und 18 Jahre alt, 361 jünger als 14. Die deutschen Familiengerichte ließen zudem jährlich noch rund 100 Ehen mit einem unter 18-jährigen Partner zu.

In Österreich entspricht die gesetzliche Situation der deutschen vor der Neuregelung. Es werden diejenigen Ehen anerkannt, die den österreichischen Gesetzen entsprechen. Ob eine im Ausland geschlossene Ehe anerkannt wird oder nicht entscheidet die jeweilige Behörde. Die österreichische Grünen-Abgeordnete Berivan Aslan kämpft seit Langem für eine Änderung – ohne Erfolg. Ihre Anfragen an die zuständigen Ministerien, wie hoch überhaupt die Zahl der im Ausland geschlossenen Kinderehen in Österreich sei, bleiben regelmäßig unbeantwortet. „Es gibt keine Studie, keine Statistik, keine Zahlen“, sagt Aslan. Ihr Verdacht: „Dann müsste die Regierung nämlich aktiv werden.“

Berivan Aslan
Berivan Aslan © APA/HELMUT FOHRINGER

Allein in der Steiermark wurde man im Vorjahr auf zwei Kinderehen aufmerksam. Im einen Fall handelte es sich um eine junge syrische Flüchtlingsfrau - mit 13 Jahren verheiratet mit einem 25-jährigen Syrer.  Die junge Mutter und ihr Kind leben jetzt in einer Betreuungseinrichtung. Im zweiten Fall sei die inzwischen 17-jährige Frau und Mutter bei ihrem Ehemann geblieben und werde vom Jugendamt betreut.

Die Neuregelung in Deutschland sieht sie mit gemischten Gefühlen. „Wird eine Ehe annulliert, verliert das Kind möglicherweise sein Aufenthaltsrecht, seinen erbrechtlichen Status und man schickt es wieder zurück an den Mittelpunkt des Patriarchats, wo es von Neuem verheiratet wird.“ Sie wünscht sich einen humanitären Weg.

„Das Personal, das die Flüchtlinge bei ihrer Einreise befragt, braucht Schulungen, um bei Kindern mit Fingerspitzengefühl herauszufinden, ob bereits eine Heirat besteht, ob diese erzwungen wurde, ob ein Mädchen schwanger ist“, meint Aslan. Der Schutz und die Rechte der Betroffenen müssten gewährleistet sein.