Es gibt den raffinierten Diebstahl - wie Ende März beim nächtlichen Abtransport einer 100-Kilo-Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum. Und es gibt den brutalen Raub nach dem Prinzip Brechstange: In der paraguayischen Grenzstadt Ciudad del Este ist nach einem beispiellosen Überfall mit einem ganzen Kriegsarsenal und einer Flucht in Motorbooten von einen "Jahrhundert-Raub" die Rede.

Überall sind Einschusslöcher

Das Verbrechen versetzte die 350.000-Einwohner-Stadt über drei Stunden in Angst und Schrecken, die örtlichen Polizeichefs mussten den Hut nehmen. Mit Sprengsätzen und Sturmgewehren wurde von einer Bande einfach der Weg zum Tresor der Geldtransportfirma Prosegur freigekämpft, laut Polizei machten die Gangster umgerechnet bis zu 28 Millionen Euro (30 Millionen Dollar) Beute.

Der regionale Prosegur-Chef dagegen meint, es könnten auch "nur" acht Millionen Dollar gewesen sein - aber so oder so: der Raub von Ciudad del Este ist in seiner Brutalität wohl ohne Beispiel. Das Depot von Prosegur ist völlig zerstört, überall Einschusslöcher. Was geschehen ist, wirkt wie ein Plot, den man sich gar nicht ausdenken kann - viel zu überdreht.

Wer über die "Brücke der Freundschaft" von Brasilien nach Ciudad del Este geht, kann Eintauchen in eine bizarre Welt. Ganz in der Nähe liegen die berühmten Wasserfälle von Iguazu. Schmuggelprodukte, so weit das Auge blickt, angefangen von mies kopierten Fußballtrikots. Auch die Schiiten-Miliz Hisbollah soll hier laut Geheimdiensten aktiv sein, um über Exportgeschäfte Geld für Terroraktivitäten zu sammeln.

Fahrzeuge gehen in Flammen auf

Der Reihe nach: Anfang April inspizieren Mitglieder der gefürchteten brasilianischen Verbrecherbande "Primeiro Comando da Capital" die Stadt, im feinen Stadtteil San Jose mieten bis zu 15 Mitglieder eine Wohnung. Am Montag erfolgt der Angriff, rund 60 Gangster sollen beteiligt sein. Um die Polizei in die Irre zu führen, wird auch das regionale Regierungsgebäude angegriffen. Reihenweise gehen Fahrzeuge in Flammen auf, um der Polizei Zufahrtswege zum eigentlichen Tatort, dem Gebäude mit dem Tresor, zu versperren.

Tausende Krähenfüße, spitze Metallzinken, werden auf den Straßen abgeladen, um platte Reifen bei den Polizeiautos zu verursachen. Sogar das Polizeipräsidium wird attackiert, um die Sicherheitskräfte erst einmal in Schach zu halten. Paraguays Innenminister Lorenzo Lezcano sagt, es gab Hinweise auf einen großen Überfall, aber Ziel und Zeitpunkt seien unklar gewesen. Das "Primeiro Comando da Capital" dominiert in Brasilien in vielen Regionen den Drogenhandel und hat seine Macht deutlich ausgebaut. Das ist auch ein Spiegelbild der tiefen Krise Brasiliens, auch bei der Polizei muss gespart werden.

Die Gangster platzieren nach Angaben des Portals "ABC Color" auf umliegenden Terrassen sogar Scharfschützen, damit die Polizei den Tresorraub nicht stören kann, den mindestens 30 Täter verüben. Bei der Attacke auf das Prosegur-Gebäude wird ein Polizist getötet. Mit Motorbooten flüchten sie wie in einem James-Bond-Film über den Grenzfluss Parana nach Brasilien.

Sturmgewehre und Handgranaten

Dort kommt es rund 50 Kilometer entfernt, bei Itaipulandia, zu Schusswechseln mit der alarmierten brasilianischen Polizei, drei Täter sterben. Es gibt auch noch einen weiteren Schusswechsel - mehrere mit Sturmgewehren bewaffneten Männer flüchten in einen Wald. Zunächst werden acht Täter festgenommen, Dutzende sind aber vorerst noch auf der Flucht. Mit dem Großteil der Beute. Laut Innenminister Lezcano ist ein internationaler Krisenstab eingesetzt worden, mit Vertretern Paraguays, Brasiliens und Argentiniens.

"Wie im Krieg" sei das gewesen, berichteten Augenzeugen. Die Gangster hatten dabei: Sturmgewehre M16 und AK47, Handgranaten und sogar ein Flugabwehrgewehrgeschütz. Der abgesetzte Polizeichef Juan Fernandez ist resigniert: "Es ist unmöglich, gegen diese Leute anzukommen, sie waren uns in allem überlegen". Und die zuständige Staatsanwältin Denise Duarte sagt dem Sender ABC frustriert: "Das fühlt sich an wie in Syrien hier."