Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat sich persönlich in die Aufarbeitung eines Falls sexueller Belästigung in der deutschen Bundeswehr eingeschaltet. In einem am Dienstag auf der Internet-Seite des Ministeriums veröffentlichten Offenen Brief kritisierte sie die Begründung für die Einstellung des Verfahrens als "inakzeptabel" und "abenteuerlich".
Nach Angaben der Ministerin wurde die betroffene Soldatin "von einem Kameraden körperlich bedrängt und sexuell belästigt". Der Vorfall und die Reaktion darauf haben nach Angaben des Ministeriums nichts mit den am Montagabend bekannt gewordenen Vorfällen bei den Gebirgsjägern in Bad Reichenhall zu tun. Auch dass der Brief der Ministerin nur wenige Stunden später veröffentlicht wurde, sei "purer Zufall".
Verfahren von der Staatsanwaltschaft eingestellt
Von der Leyen wurde demnach von einer militärischen Gleichstellungsbeauftragten auf den Fall hingewiesen. Die Soldatin hatte Anzeige erstattet, das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft jedoch eingestellt. "Zu der Bewertung kann sie als unabhängige Behörde kommen", schrieb die Ministerin. "Was aber völlig inakzeptabel ist, ist die Wortwahl" der Begründung.
Nach Angaben von der Leyens schrieb die Staatsanwältin: "Bei dem von Ihnen beschriebenen 'Imponiergehabe' des Beschuldigten (Posen, Muskelspiel, Aufforderung zum Sex, Griff an das Gesäß) ist jedoch nach allgemeinem (vorwiegend männlichem) Verständnis davon auszugehen, dass der Beschuldigte sein 'Interesse' an Ihnen damit kundtun und nicht, dass er Sie beleidigen wollte."
Von der Leyen nannte die Interpretationen "abenteuerlich und aus der Zeit gefallen". Sie zerstörten das Vertrauen von Opfern sexueller Übergriffe, an übergeordneter Stelle Verständnis und Schutz zu finden.
Mit Blick auf die deutsche Bundeswehr betonte die Ministerin, der Fall sei ein "grober Verstoß gegen die Pflicht zur Kameradschaft". Sie fügte hinzu: "Ich dulde in der Bundeswehr kein Verhalten, das die Würde, die Ehre und die Rechte auf sexuelle Selbstbestimmung von Soldatinnen oder Soldaten und der zivilen Beschäftigten verletzt".
Erst Ende Jänner war bekannt geworden, dass es in einer Ausbildungskaserne in Pfullendorf herabwürdigende und sexuell erniedrigende Praktiken und Aufnahmerituale gegeben haben soll. Von der Leyen hatte dies auch als Ausdruck von Führungsversagen kritisiert und als Zeichen dafür gewertet, dass der Umgang miteinander in der Truppe "kein Randthema" sei.