Große Süßwasser-Tierarten wie Flussdelfine, Krokodile oder Störe sind ökologisch bedeutend. Weltweit ist diese sogenannte Megafauna aber gefährdet oder akut vom Aussterben bedroht. Forscher des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin, darunter Klement Tockner, mittlerweile Präsident des Wissenschaftsfonds FWF, haben nun die Ursachen für die Bedrohung untersucht.
Konkret geht es in dem im Fachjournal "WIREs Water" veröffentlichten Übersichtsartikel um Wirbeltiere, die in Süßwasserökosystemen leben und ausgewachsen mindestens 30 Kilogramm schwer sind. Ihre Bedeutung "für die Biodiversität und für den Menschen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden", so Fengzhi He vom IGB. Besonders anfällig für Einflüsse von Außen mache die großen Süßwasser-Tierarten ihre lange Lebenserwartung, stattliche Körpergröße, späte Geschlechtsreife und geringe Fruchtbarkeit.
Fragmentierung, Übernutzung, Verschmutzung
Als zentrale Bedrohungen dieser Süßwasser-Megafauna nennt Fengzhi He die Fragmentierung von Lebensräumen und die Übernutzung von Binnengewässern. Dazu kommen noch Umweltverschmutzung, Lebensraumzerstörung, Invasion fremder Arten und die vom Klimawandel verursachten Änderungen.
Viele dieser Tierarten sind etwa auf durchgängige Fließgewässer angewiesen, um zu den Brut- bzw. Futterplätzen zu gelangen, was angesichts der zunehmenden Fragmentierung von Flussgebieten durch Dämme immer schwieriger wird. Diese versperren etwa dem Russischen Stör den Zugang zu 70 Prozent seiner Laichplätze vom Kaspischen Meer aus sowie sämtliche Laichplätze, die ursprünglich vom Schwarzen Meer aus erreichbar waren. Von Staudämmen seien auch viele andere Arten wie die Amazonas-Seekuh, der Ganges-Flussdelfin und der Mekong-Riesenwels betroffen.
Schlüsselrolle
Dabei nehme die Süßwasser-Megafauna eine Schlüsselrolle in den jeweiligen Ökosystemen ein: Aufgrund ihrer Größe stehen viele Arten an der Spitze der Nahrungskette, ihre Ausrottung hätte Einfluss auf die meisten anderen Lebewesen im lokalen Ökosystem. So gestalten Biber durch ihre Lebensweise ganze Flussläufe, mit entsprechenden Auswirkungen auf biochemische und hydrologische Prozesse. Mississippi-Alligatoren würden in den Everglades kleine Teiche und damit Lebensraum für viele Pflanzen und kleinere Tiere schaffen und erhalten.
Trotz der akuten Bedrohung vieler Arten seien sie auch von der Wissenschaft bisher weitgehend vernachlässigt worden, kritisieren die Studienautoren. Sie fordern, Verbreitungsmuster, Lebensgeschichte und Populationsdynamik der Süßwasser-Megafauna besser zu erforschen. Angesichts der Tatsachen, dass Binnengewässer zu den weltweit am stärksten bedrohten Ökosystemen zählten und der Verlust der Biodiversität hier schneller voranschreite als in marinen und terrestrischen Systemen, sei es wichtiger, nachhaltige Naturschutzstrategien für diese Ökosysteme und die Süßwasser-Megafauna zu entwickeln.