Trucker rollen Stoßstange an Stoßstange durch den westpolnischen Ort Banie und hupen in Dauerschleife. Sie geben so ihrem ermordeten Kollegen Lukasz U. mit einem Lkw-Korso am Freitag das letzte Geleit. Der 37-Jährige war dem Terroranschlag vor Weihnachten in Berlin zum Opfer gefallen, als der Attentäter Anis Amri seinen Lkw entführte und den polnischen Fahrer mit einem Kopfschuss tötete.
Hunderte Menschen schließen sich zu Fuß den Truckern an, begleiten U. auf seinem letzten Weg. Vielen stehen Tränen in den Augen, als der Leichenwagen den schneeweißen Sarg zum Friedhof des 6.000-Seelen-Ortes - 30 Kilometer südlich von Stettin (Szczecin) - bringt. "Wäre Lukasz in Berlin auf das Firmengelände gelassen worden, wo sein Lkw entladen werden sollte, hätte sich diese Tragödie nicht ereignet", schluchzt Romuald Szmyt, Präsident des Westpommernschen Verbandes der Straßen-Carrierer, am Grab seines Kollegen.
Lücke von vier Stunden
U. hatte am 19. Dezember Stahlteile aus Italien nach Berlin-Moabit gebracht, wollte sie gleich abladen. Doch das verzögert sich. Er stellt seinen Truck auf einem Parkplatz außerhalb des Firmengeländes ab, beschwert sich per Handy bei seinem Cousin und Spediteur Ariel Zurawski, dass er wieder einmal warten müsse. Danach verliert sich seine Spur. Es klafft eine Lücke von mindestens vier Stunden, in denen Amri nach bisherigen Ermittlungen den Laster kapert, U. umbringt und mit dem Truck in eine Menschenmenge auf dem Berliner Breitscheidplatz rast und elf weitere Menschen tötet.
"Lukasz war schon in Weihnachtsstimmung, wollte nur noch nach Hause zu seiner Familie", sagt Szmyt mit gebrochener Stimme. "Fahrer aus Osteuropa werden im gesamten Westen anders behandelt als die Kollegen aus Deutschland, Frankreich oder Belgien", kritisiert Szmyt im Beisein des polnischen Präsidenten Andrzej Duda.
Auch wenn noch immer nicht ganz geklärt ist, was sich genau in U.'s letzten Lebensminuten abspielte, ist er für viele Polen ein Held. "Er hat die Würde des Menschen bis zum Schluss verteidigt. Wir sind ihm dafür unendlich dankbar", sagt der Stettiner Bischof Henryk Wejman in seiner Predigt. Viele glauben, dass U. Amri ins Lenkrad griff und so noch Schlimmeres verhinderte. Nach offiziellen Angaben brachte allerdings ein automatisches Bremssystem den Laster nach kurzer Fahrt durch die Budengasse zum Stehen.
"Sein Tod ist ein riesiger Verlust", äußert sich Premierministerin Beata Szydlo in einem Brief, aus dem ihre Kanzleichefin Beata Kempa in der Kirche von Banie zitiert. "Schon früher sind Polen terroristischen Anschlägen zum Opfer gefallen, die von islamistischen Fundamentalisten ausgeführt wurden, aber die Tragödie von Berlin ist mit Blick auf die Skrupellosigkeit und Brutalität des Täters außergewöhnlich", sagt Kempa.
Für die Hinterbliebenen ist das nur wenig Trost. U.'s 17-jährigem Sohn Adam laufen die Tränen nur so über die Wangen. Staatspräsident Duda drückt ihm fest die Hand, nimmt dann auch seine Mutter in den Arm und verspricht Hilfe.
Der polnische Staat hat in einem ersten Schritt alle Beerdigungskosten übernommen. In Großbritannien hat ein Trucker für die Familie eine Spendensammlung initiiert. Mehr als 200.000 Euro seien bereits zugesagt worden. "Diese Hilfsbereitschaft ist so schön", sagt eine Nachbarin der Familie. "Geld macht Lukasz aber auch nicht mehr lebendig. Es ist so furchtbar. Was ist bloß in der Welt los? Warum können Menschen so grausam sein?", fragt sie und legt eine weiße Rose auf U.'s Grab.