Zehn Monate nach dem Zugsunglück von Bad Aibling mit zwölf Toten ist der Fahrdienstleiter zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Das Landgericht Traunstein sprach den Mann am Montag der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung schuldig. Bei dem Crash zweier Züge am 9. Februar in Oberbayern waren auch fast 90 Menschen verletzt worden, einige davon lebensgefährlich.
Das Gericht sprach von einem der erschreckendsten Zugsunglücke in den vergangenen Jahren. Der geständige Angeklagte nahm das Urteil völlig regungslos zur Kenntnis. Das Gericht lastete ihm besonders die Nutzung seines Smartphones an, auf dem er auch am Unglücksmorgen während der Arbeit intensiv gespielt hatte. "Er war gedanklich in diesem Spiel fixiert, er war gedanklich gefangen", sagte der Vorsitzende Richter. "Er hatte keine Ressourcen mehr übrig für die betrieblichen Abläufe." Deshalb sei es zu einer ganzen Reihe von Fehlentscheidungen und Fehlhandlungen gekommen. Diese Häufung von Fehlern wäre nicht passiert, wenn er nicht gespielt hätte, war Fuchs überzeugt.
Als gravierend wertete das Gericht auch, dass der Fahrdienstleiter schon in den Wochen zuvor das mittelalterliche Rollenspiel "Dungeon Hunter 5" während der Arbeit gespielt hatte, mit steigender Intensität und obwohl er für eine große Verantwortung für die Züge und die Fahrgäste getragen habe. In dieser Zeit sei zwar nichts passiert, trotzdem habe er die Reisenden einem großen Risiko ausgesetzt.
Der Richter gab zwar zu bedenken, dass es mittlerweile sicher eine modernere Technik gebe, um Zusammenstöße auf eingleisigen Strecken zu verhindern. An der Schuld des Mannes ändere dies aber nichts. "Der Zusammenstoß erfolgte nur deshalb, weil der Angeklagte in diese funktionierende Technik selbst eingegriffen hat." Dennoch legte der Richter auf eine Feststellung wert: Der Fahrdienstleiter sei kein schlechter Mensch, kein Krimineller, und leide unter dem Geschehen. "Aber er ist in erster Linie Opfer seiner eigenen Spielleidenschaft geworden." Nach dem Urteil könne er "in absehbarer Zeit" zu seiner Familie zurückkehren. "Den Familien der Todesopfer ist so ein Zusammenleben nicht mehr möglich", sagte der Richter.
Vom Spielen abgelenkt hatte der Fahrdienstleiter laut Urteil mehrere Signale im Stellwerk falsch gestellt. Beim Absetzen eines Notrufes drückte der 40-Jährige zu allem Unglück auch noch eine falsche Taste. Der Alarm erreichte die Lokführer nicht. Der Frontalzusammenstoß auf eingleisiger Strecke war daraufhin nicht mehr zu verhindern.
Veraltete Signaltechnik
Bekannt wurde in dem Prozess, dass die Bahn auf der Unglücksstrecke seit mehr als 30 Jahren veraltete Signaltechnik einsetzt. Eine Vorschrift von 1984, zusätzliche Anzeigen zu installieren, war nicht umgesetzt worden, wie ein Experte des Eisenbahn-Bundesamtes aussagte. Die Bahn muss dies aber nur im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten tun.
Die Bahn muss sich nun auf Klagen einstellen, mit denen Opfer und Hinterbliebene Schadenersatz erstreiten wollen. "Wir werden jetzt anfangen, die zivilrechtlichen Ansprüche durchzusetzen", sagte einer der Nebenklageanwälte nach dem Urteil. Dabei werde es vor allem um technische Fragen gehen. Außerdem wünschten sich alle, dass die Deutsche Bahn Fehler eingestehe und sich entschuldige. "Das ist den Hinterbliebenen und Opfern sogar sehr wichtig."
Der Verteidiger des Angeklagten war von dem Strafmaß für seinen Mandanten nicht überrascht. Er hatte in seinem Plädoyer höchstens zweieinhalb Jahre Gefängnis oder eine Bewährungsstrafe gefordert. Für eine Entscheidung über eine Revision sei es aber noch zu früh. Die Höchststrafe bei fahrlässiger Tötung beträgt fünf Jahre. Der Staatsanwalt hatte vier Jahre gefordert und zeigte sich zufrieden, ebenso wie die Vertreter von Opfern und Hinterbliebenen.