Das Barefoot College in Indien bildet Frauen aus Entwicklungsländern zu Solar-Ingenieurinnen aus. Bei der Vorstellung des innovativen Projektes in Wien forderte sein Gründer Bunker Roy im APA-Gespräch, Entwicklungshilfe müsse ländliche Gemeinschaften stärker einbeziehen. Nur so könnten westliche Hilfsgelder nachhaltig wirken.
Sechsmonatige Schulung
Die Schule in Indien holt Frauen aus dem globalen Süden - von Afrika über Palästina bis Afghanistan - an ihren Sitz nach Tilonia im indischen Bundesstaat Rajastan. In sechs Monaten werden die Frauen in Solartechnik geschult. Die Ausbildung ist besonders auf ältere Frauen und Analphabetinnen zugeschnitten. Über Zeichensprache und Bildtafeln lernen die Frauen, wie Solarlampen gebaut, repariert und Stromkreise geschaltet werden. Neben dem technischen Wissen, werde den Frauen auch gesellschaftliches Wissen vermittelt, etwa wie sie ein Bankkonto eröffnen können und welche Rechte sie haben.
Lokale Bevölkerung einbeziehen
"Die lokale Bevölkerung sollte über Entwicklungsprojekte entscheiden, nicht ein Experte irgendwo auf der Welt", erklärte der Sozialaktivist Roy den dezentralisierten Ansatz seiner Organisation. Das traditionelle Wissen der Gemeinschaften aus den ländlichen Regionen sei dabei eine wichtige Quelle, da traditionelles Wissen Naturressourcen respektieren würde und somit nachhaltig sei. Gleichzeitig werde dieses Wissen "zu wenig respektiert, identifiziert und angewandt", erklärte Roy, der mit seiner Barfuß-Bewegung dagegen wirken will.
Licht für sieben Jahre
Nach der Ausbildung sollen die Frauen jedes Haus in ihrem Dorf mit Solarzellen ausstatten, und für deren Reparatur und Wartung bezahlt werden. Rund 1.200 Dörfer in 80 Ländern werden laut Roy bereits gänzlich mit Solarenergie betrieben. 60.000 Dollar (56.417,49 Euro) soll es kosten, um 100.000 Haushalte mit Solaranlagen auszustatten. "Dafür gibt man den Menschen für sieben Jahre Licht, vier Stunden jede Nacht und spart 10.000 Liter Kerosin", berichtete Roy.
Männer horten Wissen
Roy stammt selbst aus einer reichen indischen Familie, stellt sich aber explizit gegen die Orientierung an Eliten. Die Lehrer in seinem College sind keine diplomierten Experten, sondern stammen aus den umliegenden Dörfern. Das funktioniere auch deshalb, "da Frauen ihr Wissen gerne weitergeben", so Roy. Mit ein Grund, warum der Inder keine Männer ausbildet: "Männer sind ambitioniert, aber sie wollen ein Zertifikat für die Ausbildung und geben ihr Wissen nicht weiter", erklärte Roy am Rande der Tagung "Energie für Alle", die diese Woche im Wiener Rathaus stattfand.
Gegen Armut und Hunger
Die Initiative verschreibt sich der Bekämpfung der Armut und des Hungers, der Förderung von Bildung und der Selbstbestimmung von Frauen. Mit der Verbesserung der Lebensqualität in den Dörfern soll die Landflucht in die Slums der Großstädte umgekehrt werden. "Ab dem Moment, wo jemand Licht in ein Dorf gebracht hat, kommen die Menschen zurück, denn es gibt Chance auf Arbeit und Kinder können in die Schule gehen", zeigte sich Roy überzeugt.
Drohnungen und Druck
Roy erzählte im Gespräch mit der APA, er werbe persönlich um Schülerinnen und sei häufig mit Druck und Drohungen aus den Herkunftsgemeinden der interessierten Frauen konfrontiert. Durch die im College erworbene Qualifikation und Verantwortung sollen die Frauen, von denen viele aus der niedrigsten Gesellschaftsschicht stammen, bei ihrer Rückkehr zum ersten Mal in ihrer Gemeinschaft mit Respekt behandelt werden und anderen ein Vorbild sein, sagte Roy. Die Kosten der Ausbildung trage die indische Regierung. Für die Materialkosten werde mit der UNO, privaten Stiftungen und Gönnern kooperiert.
Elite-Ausbildung
Sanjit Bunker Roy genoss als Spross einer reichen indischen Familie die Ausbildung an Elite-Universitäten in Indien. Seit drei Jahrzehnten setzt sich der Inder in dem Kampf gegen die Armut ein. Er gründete auch eine Nachtschule, an denen rund Zehntausend indische Kinder, die tagsüber arbeiten müssen, unterrichtet werden können. 2010 wurde der Inder von dem "Time Magazine" zu einem der 100 einflussreichsten Menschen der Welt gewählt.