Foltervorwürfe bringen eine berüchtigte Haftanstalt in Verruf, in der schon Kremlkritiker und Geschäftsmann Michail Chodorkowski saß. Hohe Metallzäune, Stacheldraht, Wachtürme: Das Straflager Nr. 7 in der russischen Teilrepublik Karelien im hohen Norden gleicht einer Festung. Doch was sich hinter den etwa drei Meter hohen Mauern des Hochsicherheitsgefängnisses abspielt, ist nach jüngsten Berichten für manche Insassen die Hölle auf Erden. Hinweise auf brutale Folter eines oppositionsnahen Aktivisten bringen das Gefängnis in Verruf. Die Vorwürfe sorgen für einen Aufschrei in der geschwächten Bürgerrechtsszene, und auch die Politik reagiert.

"Sie fingen an, mich zu schlagen", schreibt der Häftling Ildar Dadin über einen Vorfall im September, wie er ihn erlebte. "Insgesamt haben sie mich an diesem Tag vier Mal zusammengeschlagen, zehn bis zwölf Menschen gleichzeitig. Nach dem dritten Mal haben sie meinen Kopf in die Toilette getaucht." Auch an den Händen soll er aufgehängt worden sein. Sollte er sich beschweren, drohten ihm Vergewaltigung und Tod.

Gefängnis des Grauens

Die Sätze diktiert der 34-jährige Dadin seinem Anwalt Alexej Lipzer, denn eigentlich darf er keine Briefe schreiben. Acht Absätze voll Schrecken beschreiben ein Gefängnis des Grauens. Später gibt Dadins Frau Anastasija Sotowa den Brief an russische Medien weiter.

Ob sich hinter den Vorwürfen handfeste Straftaten verbergen, lässt sich zunächst nicht unabhängig erhärten. Zwar berichtet etwa die kremlkritische Zeitung "Nowaja Gaseta", ein Gefängnismitarbeiter habe Gewalt gegen Dadin bestätigt. Doch die Lagerleitung streitet vehement ab. Auch ein am Mittwoch in die Anstalt geschicktes unabhängiges Ärzteteam findet nach Behördenangaben keine Spuren von Folter.

Der russische Strafvollzug gilt allgemein als brutal. Bürgerrechtler beklagen Misshandlungen durch "sadistische Knastaufseher". Aus der Haft entlassene Gefangene wie die Frauen der kremlkritischen Punkband Pussy Riot berichten von einem System roher Gewalt. Beschwerden blieben oft folgenlos, heißt es.

Das Straflager N. 7 bei der Ortschaft Segescha mit Platz für rund 1.300 Häftlinge ist berüchtigt. Gegründet 1968, wurden hier schon zu Sowjetzeiten Langzeithäftlinge eingesperrt. Der wohl bekannteste Insasse war aber erst vor wenigen Jahren vorübergehend der Kremlkritiker Chodorkowski. Ein früherer Mitarbeiter des Strafvollzugs berichtet, aus dem Lager seien mehrfach Häftlinge mit Schädel-Hirn-Traumata ins Krankenhaus gebracht worden.

Neues Gesetz, schlimmere Zustände

Bürgerrechtler sehen Dadin als Opfer einer immer repressiver werdenden Politik. Vier mal war er 2014 bei nicht genehmigten Protesten gegen die Regierung festgenommen worden. Zum Verhängnis wurde ihm ein neues Gesetz von 2014, das die mehrfache Teilnahme an solchen Kundgebungen unter Strafe stellt. Der Agentur Tass zufolge ist Dadin der erste, der nach diesem Gesetz verurteilt wurde.

"Niemand sollte für eine friedliche Meinungsäußerung im Gefängnis sitzen", kritisiert Sergej Nikitin von Amnesty International. Er fordert eine Untersuchung im Straflager Nr. 7. Die russische Menschenrechtsbeauftragte Tatjana Moskalkowa will dem Fall nachgehen.

"Bizarre Behauptung"

Doch auch Amnesty steht unter Druck. Überraschend schließen die Behörden das Moskauer Büro der Menschenrechtler - wegen angeblicher Mietrückstände. Weil Amnesty die Warnungen ignoriert und gegen den Mietvertrag verstoßen habe, seien die Räumlichkeiten geschlossen und versiegelt worden.

Die Organisation sprach dagegen von einer "bizarren Behauptung". Man könne mit Unterlagen belegen, dass man die Miete pünktlich bezahlt habe. Europachef John Dalhuisen erklärte, möglicherweise gebe es einen Zusammenhang mit dem Vorgehen der Regierung gegen kremlkritische Organisationen. Es seien aber auch andere Erklärungen möglich. "Ich will nicht spekulieren, bis wir Möglichkeit hatten, das mit den städtischen Behörden zu klären."