Steile Eisberge auf Pluto, tiefe Gräben auf seinem Mond Charon: Die ersten Detailaufnahmen der US-Sonde "New Horizons" von ihrem historischen Pluto-Besuch faszinieren die Planetenforscher. Die Bilder zeigen bis zu 3.400 Meter hohe Eisberge auf der Oberfläche des Zwergplaneten, wie die US-Weltraumbehörde Nasa am Mittwoch (Ortszeit) mitteilte.

Zudem liefern sie Anhaltspunkte, dass Pluto noch in jüngster Vergangenheit geologisch aktiv war. Vielleicht sei er sogar "jetzt gerade aktiv", sagte der Missionswissenschaftler John Spencer. Die Bilder von "New Horizons", aufgenommen am Dienstag beim Vorbeiflug der Sonde an Pluto, eröffnen den Astronomen einen völlig neuen Blick auf den Zwergplaneten am Rand des Sonnensystems. Hinweise auf eine geologische Aktivität des weitgehend unerforschten Himmelskörpers gibt laut Nasa eine Nahaufnahme der Oberfläche. Darauf sind zur Überraschung der Wissenschafter keine Spuren von Einschlagskratern zu finden - obwohl ständig Materietrümmer auf Pluto und seine insgesamt fünf Monde niederprasseln.

Oberflächen-Veränderung

Dies könnte der Nasa zufolge darauf hindeuten, dass die Pluto-Oberfläche bis in die jüngste Zeit durch geologische Aktivität verändert wurde. "Jetzt haben wir geklärt, dass diese sehr kleinen Planeten nach langer Zeit sehr aktiv sein können", erläuterte der Nasa-Wissenschafter Alan Stern.

Völlig überrascht zeigten sich die Wissenschafter von einem "New Horizons"-Bild des Mondes Charon, das die Oberfläche des größten Pluto-Trabanten in bisher unerreichter Detailgenauigkeit zeigt. "Das neue Bild von Charon hat uns vom Hocker gerissen", sagte die Missionswissenschaftlerin Cathy Olkin. "Der Mond ist eine kleine Welt mit tiefen Schluchten, Senken, Felswänden und dunklen Regionen, die für uns noch etwas geheimnisvoll sind."

Auch deutsche Experten überrascht

Die Bilder der Mission "New Horizons" von Pluto erstaunen auch deutsche Experten. "Mich haben vor allem zwei Details überrascht", sagt der Direktor des Göttinger Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung, Ulrich Christensen. "Die großen Flächen ohne Einschlagkrater und die pyramidenförmigen Berge."

Dass große Pluto-Regionen nicht durch Krater vernarbt sind, deutet nach Angaben der Nasa darauf hin, dass sie sehr jung sind. Vermutlich sind sie vor weniger als 100 Millionen Jahren entstanden. Daraus schließen die Forscher, dass der Zwergplanet geologisch aktiv sein könnte. "Die Spuren der Einschläge sind durch innere vulkanische Prozesse ausgelöscht worden", erläutert Christensen. "Das war nicht unbedingt zu erwarten."

Weniger als minus 200 Grad

Demnach enthält der Mantel, der den Gesteinskern von Pluto umgibt, nicht nur Wassereis, sondern auch geschmolzenes Wasser, das stellenweise an die Oberfläche gelangt und gefroren ist. Auf dem Pluto herrschen weniger als minus 200 Grad. Diesen Kryovulkanismus vergleicht Christensen mit dem ebenfalls eiskalten Neptunmond Triton. Der Kryo- oder Eisvulkanismus auf Triton könnte darauf beruhen, dass Gezeitenkräfte des Neptun dort flüssiges Wasser ermöglichen. Diese Erklärung kann für den Pluto aber nicht gelten, denn auf ihn wirken keine solchen Kräfte ein.

Kryovulkanismus erklärt vielleicht auch die gefundenen Berge am Pluto-Äquator, die laut Nasa bis zu 3.500 Meter aufragen und vermutlich hauptsächlich aus Wassereis bestehen. Auffällig ist laut Christensen auch der dunkle Fleck auf dem Plutomond Charon, der der Nasa Rätsel aufgibt. Möglicherweise könnte ein Teil der dünnen Atmosphäre des Pluto auf den nur 17.500 Kilometer entfernten Trabanten übergeschwappt sein und sich dort am Pol abgelagert haben.

Neun Jahre

"New Horizons" war am Dienstag nach einer mehr als neunjährigen Reise über 4,8 Milliarden Kilometer in einer Entfernung von nur 12.500 Kilometern an Pluto vorbeigerast. Die US-Sonde mit den Abmessungen eines kleinen Konzertflügels ist das erste Raumfahrzeug, das dem Pluto und seinen Monden so nahe gekommen ist.

Die Daten vor der Pluto-Passage der mit sieben wissenschaftlichen Instrumenten ausgerüsteten Sonde treffen nun nach und nach auf der Erde ein. Wegen der großen Entfernung des Raumfahrzeugs von der Erde rechnen die Wissenschafter damit, dass erst in 16 Monaten alle Daten übertragen sein werden.

Pluto zieht im sogenannten Kuiper-Gürtel jenseits des Planeten Neptun seine Bahn um die Sonne. Diese Region birgt Überbleibsel aus der Entstehungszeit unseres Sonnensystems vor viereinhalb Milliarden Jahren - es gibt dort Kometen und die Bausteine für kleine Planeten. Nach der erfolgreichen Begegnung mit Pluto soll "New Horizons" nun weitere Objekte des Kuiper-Gürtels ansteuern.