Nein, die Vorstellung ist keine angenehme: Im vergangenen März ging eine Boeing 787 Dreamliner der chilenischen Latam Airlines in einen plötzlichen Sturzflug über, mehr als 50 Passagiere sind dabei – teilweise schwer – verletzt worden.

Kapitänssitz löst Dominoeffekt aus

Grund für den bedenklichen Vorfall war laut US-Luftfahrtbehörde FAA eine unkontrollierte Bewegung des Kapitänssitzes, die in weiterer Folge zu einer unbeabsichtigten Deaktivierung des Autopiloten und massivem Absacken führte. Nun ordnete die FAA die Inspektion von Hunderten Maschinen dieses Typs an, zu schwerwiegend sind offenbar die Sicherheitsbedenken.

Thomas M. Friesacher, Luftfahrtexperte, Sachverständiger und Berater für Luftfahrtsicherheit, erklärt im Interview, warum man dem Piloten in so einem Fall keinen Vorwurf machen kann: „Wenn man sich nach so einem abrupten horizontalen Ruck des Kapitänssitzes am Steuerhorn festhält, deaktiviert man den Autopiloten (der rote Autopilot-Ausschaltknopf ist dort angebracht, Anmerkung). Dann wird das Flugzeug nach oben oder unten Ausschläge machen“, erklärt er.

Im Fokus müsste vielmehr mangelndes Qualitäts- und Sicherheitsmanagement bei Boeing stehen – Friesacher sieht die endlose Kette von Problemen des US-Konzerns der vergangenen Jahre fortgeführt: „Es geht um Sicherheitskultur, die man in ein Unternehmen zu implementieren hat. Es braucht harte Anweisungen, wie jeder Handgriff umgestellt werden muss.“ Vom Management vorgegebene Gewinnmaximierung dürfte niemals im Vordergrund stehen – konzerninterne Verbesserungen bräuchten allerdings ihre Zeit, bis sie dann greifen.

Und tatsächlich: Es gibt fünf weitere Berichte über ähnliche Vorfälle. Die FAA-Anweisung betrifft 158 in den USA registrierte Flugzeuge und 737 Flugzeuge weltweit. Sie verpflichtet die betreffenden Fluggesellschaften, binnen 30 Tagen die Pilotensitze der Modelle 787-8, 787-9 und 787-10 (Bild) auf fehlende oder gebrochene Kippschalter oder beschädigte Schalterabdeckungen zu überprüfen und diese bei Bedarf auszutauschen, um jederzeit Sicherheit und Stabilität zu garantieren.

„Wichtig, dass das jetzt gemacht wird“

„Es ist wichtig, dass das jetzt gemacht wird“, betont Friesacher. Er sieht aber vor allem auch für Fluggäste in Europa keinen Grund für Aufregung, denn nun greifen die Vorgaben der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA), die die Aufsicht hat: „Die Behörden sind sich dieses Problems bewusst, es wurden dringlichkeitstechnische Mitteilungen ausgeschickt. Poppen solche Dinge auf, sieht man, dass das System funktioniert“, so der Experte.

Den neuen Boeing-CEO Kelly Ortberg – er ist erst seit wenigen Wochen im Amt – sieht Friesacher voll gefordert: „Er stellt sich zumindest den Anforderungen – weg von der Verleugnung.“