Noch nicht mal eine Woche ist es her, dass Heidi Klum "Germany's Next Topmodel 2022" gekürt hat. Wer die 17. Staffel des Formats gewonnen hat, scheint bei den Schlagzeilen, die seit einigen Tagen die Runde machen, aber zur Nebensache geworden zu sein. Wer es nicht mitbekommen hat: Die 19-jährige Lou-Anne aus Korneuburg hat sich im Finale gegen ihre Mitkonkurrentinnen, unter anderem ihre Mutter, durchgesetzt.

Für Aufregung sorgte nicht nur die am Ende fehlende Diversität der Show, die sie sich für diese Staffel eigentlich selbst auferlegt hatte – gewann letzten Endes doch eine 19-Jährige, die dem traditionellen Modelverständnis entspricht. Zu Schlagzeilen kam es insbesondere wegen zwei brisanter Youtube-Videos, die im Abstand weniger Tage veröffentlicht wurden. In dem einen Clip packte die Ex-Kandidatin Lijana Kaggwa trotz vertraglich auferlegter Schweigepflicht darüber aus, wie es hinter den Kulissen der Show zugeht. Sie wolle "dafür sensibilisieren, wie Reality-TV-Shows wirklich laufen". In dem anderen Video rechnet der YouTuber Rezo mit dem Erfolgsformat ab, spricht von Bodyshaming, Toxizität und der Sexualisierung der Kandidatinnen. 

Hinter den Kulissen von "Germany's Next Topmodel": Ex-Kandidatin packt aus

In dem Video von Lijana Kaggwa (sie hatte 2020 bei der Show mitgewirkt und war damals aus dem "GNTM"-Finale ausgestiegen) berichtet die ehemalige Kandidatin beispielsweise, dass man sie bewusst in die Rolle der "Zicke" der Sendung gedrängt habe. Interview-Ausschnitte seien manipuliert, Streitigkeiten zwischen den Kandidatinnen provoziert und künstliche Stresssituationen erzeugt worden. "Um die Quote zu erreichen, wird nichts dem Zufall überlassen. Zuallererst ist es wichtig, dass man bei uns den Stresslevel so hoch wie möglich hält, dass wir so gereizt sind, wie es nur geht", berichtet die 25-Jährige von den vermeintlich fragwürdigen Praktiken, die bei der Produktionsfirma der Show zur Anwendung kommen würden.

So soll es während ihrer Zeit in der Topmodel-Villa zum Beispiel eine "Nanny" vor Ort gegeben haben, an die sich die Kandidatinnen bei Sorgen oder Problemen "vertrauensvoll" wenden konnten. Das Problem: Die sogenannte Nanny sei weder Pädagogin noch Psychologin, sondern eine Mitarbeiterin der Produktionsfirma gewesen. Kaggwa: "Das heißt: Alles, was wir der Nanny sagen, wird an die Produktionsfirma weitergetragen und man kann die Geschichte weiter darauf aufbauen."

"Enthüllungs"-Video schlägt hohe Wellen

Zudem sollen einige Verbote dazu beigetragen haben, dass die Stimmung zwischen den Kandidatinnen weiter aufgeheizt wurde: Die Frauen sollen ihre Unterkunft abseits von Drehs und Shootings zum Beispiel nicht verlassen haben dürfen. Außerdem hätten sie ihre Mobiltelefone abgeben müssen. Dadurch sei es ihnen über den Zeitraum ihrer Teilnahme hinweg nicht möglich gewesen, sich mit Familie und Freunden zu unterhalten. 

ProSieben selbst hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Einer Sprecherin zufolge würden zudem rechtliche Schritte geprüft werden. Dass ihr Video Konsequenzen nach sich ziehen könnte, hatte die ehemalige Kandidatin schon erwartet: "Mein erstes Youtube-Video nach so langer Zeit und dann gleich eins, wofür ich verklagt werde. Na dann, darauf Prost." Der knapp halbstündige Clip wurde bisher 2,7 Millionen Mal geklickt. Das Finale der Topmodel-Show selbst haben im Vergleich "nur" 1,93 Millionen Menschen gesehen. 

Weitere Ex-Kandidatinnen melden sich zu Wort

Mittlerweile hat die ehemalige Topmodel-Kandidatin übrigens bereits ein zweites Video auf der Video-Plattform Youtube hochgeladen. Darin kamen weitere Ex-Kandidatinnen der Show zu Wort. So berichtet zum Beispiel Neele Bronst, die 2017 in der Show zu sehen war, dass die Streitereien unter den Teilnehmerinnen inszeniert gewesen seien. Die Produzenten der Serie hätten ihnen bewusst Lügen erzählt, um die Kandidatinnen gegeneinander aufzuhetzen.

Wie viel Realität in "Reality TV" steckt, haben wir übrigens bereits bei "Was geht?" genauer unter die Lupe genommen. 

Auch Youtuber Rezo rechnet mit Heidis Model-Show ab

Aber nicht nur ehemaligen Kandidatinnen haben sich zur Show geäußert, auch Webvideoproduzent und Kolumnist Rezo, der einer breiten Öffentlichkeit wohl durch sein Video "Die Zerstörung der CDU" bekannt wurde. Nun hat er sich Klums "Germany's Next Topmodel" vorgeknüpft. Gleich zu Beginn des Videos sagt er: "Immer mehr ehemalige Teilnehmerinnen erheben Vorwürfe. Gegenüber ProSieben, der Sendung 'Germany's Next Topmodel' und insbesondere Heidi Klum. Und dabei geht es nicht nur um TV-Fakeness oder eine leicht falsche Darstellung. Sondern es geht dabei um drastische Manipulationen, Lügen bis hin zum Vorwurf des Missbrauchs." 

Der Youtuber verstehe nicht, warum die Sendung noch nicht abgesetzt worden sei. Das Format bestehe aus ManipulationMissbrauchBodyshaming und der Sexualisierung junger Frauen. Besonders aufgefallen sei ihm, dass die jungen Frauen "in praktisch jeder Staffel" dazu gebracht würden, sich teils gegen ihre Willen "für das ProSieben-Publikum zu sexualisieren", beispielsweise im Rahmen diverser Nackt-Shootings der Show. Moderatorin und "Modelmama" Heidi Klum bezeichnet Rezo als "menschlich hässlich".  

Das Video haben mittlerweile 2,4 Millionen Menschen gesehen.