KUNSTHAUS GRAZ

Sie hat Tränen in den Augen, sie blutet, aber sie hält noch immer durch: 1974 entfesselt Marina Abramović im Studio Morra in Neapel den Teufel. Sechs Stunden lang darf das Publikum mit ihrem Körper tun, was immer es will. 72 Gegenstände liegen dafür bereit, darunter eine Feder, eine Rose, Rasierklingen, Scheren, Peitschen, Nägel, ein geladener Revolver. „Rhythm 0“ musste abgebrochen werden, weil die Situation eskalierte. Was für ein Schmerzensreigen!
Fein säuberlich liegen die Utensilien dieser Performance auf einem Tisch in der von Katia Huemer kuratierten Ausstellung „Körper und Territorium“ im Kunsthaus Graz, aber das Ungemach, das ihnen eingeschrieben ist, ist körperlich spürbar. Der Körper und die Kunst, das ist ein fortwährendes Anziehen und ein Abstoßen, er wird geschunden, geliebt, verherrlicht, verteufelt. Nie war und ist er nur Körper, sondern immer auch Botschafter, Waffe und Werkzeug der Grenzüberschreitung.

Gesellschaftliche Normen und Zuschreibungen definieren diese Grenzen, schaffen Körperbilder, gegen die sich Künstlerinnen und Künstler zur Wehr setzen: Performancekünstlerin Vlasta Delimar etwa gegen das Bild der asexuellen, ja fast heiligen Schwangeren, die keine Lust erfahren darf. Oder Valie Export, die mit ihren „Körperfigurationen“ (1972-82) das Narrativ vom weiblichen und elastischen Körper bricht.

Valie Export
Valie Export © (c) STEFAN EMSENHUBER

Dass die Form der Grenzüberschreitung immer auch durch das Territorium definiert wird, ist der zweite Spannungsbogen der Ausstellung, die ein kuratorischer Austausch des Kunsthauses mit dem Muzej suvremene umjetnosti (MSU) Zagreb ist. Das Kunsthaus hat Teile der Schau, die die radikale Performance und das feministische Erbe österreichischer Kunst zeigte, übernommen und mit ausgewählten Positionen von Künstlerinnen und Künstlern aus dem ehemaligen Jugoslawien ergänzt. Ein Territorium, das den Körper in vielen Facetten eingeschränkt hat.

1981 ging Tomislav Gotovac nackt durch Zagreb – nur wenige Minuten freilich: „Zagreb, I love you!“ konnte er sagen, den Boden küssen, und schon wurde er von der Polizei festgenommen: Ein mutiger Grenzgang, der die eingeschränkte Freiheit des Einzelnen aufzeigte. In Summe ergibt die Schau ein vielstimmiges Bild von Positionen, die miteinander in Dialog treten. Auch, weil diese radikale Körperlichkeit ein wuchtiger Gegenschlag zur überpräsenten Körpertransformation in der digitalen Welt ist.

„Körper und Territorium.
Grenzübergreifende Dialoge“.
Bis 27. 8. Kunsthaus Graz, Lendkai 1.
museum-joanneum.at

SCHAUMBAD GRAZ

Einblick in die Ausstellung  „Berühre: HAUT“ im Schaumbad
Einblick in die Ausstellung „Berühre: HAUT“ im Schaumbad © Susanne Rakowitz


Sie wackeln, zucken, locken, und ein bisschen gruselig sind sie auch, die „Stalagma“ von Arnold Reinisch, die wie Sci-Fi-Würste um Berührung heischen. Letzteres soll man bitte nicht tun, aber sie lösen auch mit Distanz diese emotionale Verwirrung aus, die sich gut als Grundlage für eine Tour durch „Berühre: HAUT“ eignet. Kuratorin und Künstlerin Nicole Pruckermayr beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema und lotet mit künstlerischen Positionen von Renate Mihatsch bis Ona B. den Kontaktraum Haut aus. Berührend!

„Berühre: Haut“. Bis 22. Juli, Freies Atelierhaus Schaumbad, Puchstraße 4. schaumbad.mur.at.