Oskar sieht sich im Film als Mädchen, als Lili. Ihr Film heißt aber „Oskars Kleid“. War die Frage nach der Genderidentität und welcher Name genutzt wird, vorab ein Thema?
FLORIAN DAVID FITZ: Ein Filmtitel macht doch erst einmal eine interessante Frage auf. Er beschreibt den Konflikt am Anfang und nicht das Ende eines Filmes. Sonst hieße der Film „Findet Nemo“ auch „Alles gut, wir haben ihn gefunden“. Der Film spielt aus der Sicht des Vaters, der völlig unbeleckt in die Situation stolpert. Hier ist mein Sohn. Er trägt plötzlich ein Kleid. Und los geht die Reise, auf der ja noch ganz viel passiert. Der Titel ist ja nicht das Ergebnis, sondern die Prämisse.
Dennoch ist es genderpolitisch ein wichtiges Thema.
Das ist auch richtig. Aber das ist ja das Spannende an dem Film. Wie geht der Vater damit um? Der Film lebt von dieser Frage.
Warum eigentlich aus der Sicht des Vaters und nicht des Kindes?
Erstens gibt es schon sehr viele tolle Filme, die es aus der anderen Perspektive erzählen. Zweitens fand ich ein Bild, das mich inspiriert hatte. Ich will dem Zuschauer die Frage stellen: „Was würdest du machen, wenn dein Kind das sagt?“ Deswegen war es für mich wichtig, diese Elternposition einzunehmen. Drittens speist sich ein Humor aus der Sache, wenn die Werte des Vaters hinterfragt werden. Das sieht man auch in der Recherche, dass Kinder in dem Alter nicht hadern. Du hast ein Kind, das ist völlig gesund. Das sagt einfach nur: „Pass auf, es ist so und so.“ Später, im Teenageralter, da wird dann schon eher gehadert. Aber das ist dann eine andere Geschichte, die erzählen wir nicht.
Welche Vorgaben galten für Sie für das Casting des Kindes?
Das war schwierig, weil das für die immer so ein bisschen Verkleiden und Kinderfasching ist. Laurì war eigentlich nur vorgesehen für die Klasse, die da mitspielt. Dann haben wir gefragt, ob sie nicht einmal zum Casting kommen möchte. Da ist dann etwas ganz Erstaunliches passiert. Sie hat Sätze gesagt in den Szenen, die für alle anderen am schwierigsten waren. Die waren plötzlich einfach wahr, ganz schlicht und gar nicht groß gespielt. Ich habe beim Casting angefangen zu heulen. Sie hat so viel von sich selber in diese Figur reingebracht, dass das der Kern dieser ganzen Figur, des ganzen Films wurde.
Sie haben selber das Drehbuch geschrieben. Woher kam die Inspiration für diese Geschichte?
Alice Schwarzer ist die Hebamme von diesem Film, ohne es zu wissen. Ich weiß auch nicht, ob ihr das gefällt. Die haben mir die „Emma“ geschickt, dort war ein Foto drin. Dieses Foto hat mich berührt. Ich habe gedacht, das ist ein Wahnsinnsschlussbild für einen Film. Jetzt ist es der Schluss unseres Filmes.
Sie sind selber Vater. Schwingt da die Angst mit für die Kinder, falls sie wie Oskar/Lili in eine Minderheitenrolle geraten, wie es ihnen im Leben ergehen wird?
Die Zeiten ändern sich. Es gibt natürlich bei manchen ein Gefühl, dass das ein Modethema ist, und vielleicht gibt es auch den sogenannten Nachahmereffekt. Da trennt sich aber relativ schnell die Spreu vom Weizen. Ich glaube nicht, dass Kinder das nur aus Spaß durchziehen, bis sie 20 sind. Dazu ist der Weg dann doch zu steinig. Aber: Für Kinder, die wirklich trans sind, ist es erheblich leichter als früher, weil es eine ganz andere Offenheit gibt. In meiner Generation war die Argumentation dagegen noch religiöser Art, das ging ja los mit der Homosexualität. Aber das gibt es ja alles nicht mehr. Zumindest nicht mehr öffentlich, weil du dann eine aufs Maul kriegst.
Der Film erzählt die Geschichte nicht rein dramatisch. Es gibt auch viel Humor.
Wir unterliegen einem Denkfehler, wenn wir sagen: Ernsthaftigkeit und Ernst seien dasselbe. Dass man ein ernsthaftes Anliegen ohne Humor besser erreicht. Das finde ich nicht klug. Es bildet auch nicht das Leben in seiner Gänze ab. Je existenzieller das Anliegen, desto mehr ist Humor unsere Waffe. Den sollten wir nie verlieren. Siehe den jüdischen Humor, der auch im Film vorkommt, der ist ein Trotzen im Angesicht der Widrigkeiten des menschlichen Seins.
Susanne Gottlieb