Es ist das alte, nie besonders geistreich gewesene Gedankenspiel vom Baum, der umfällt, und keiner nimmt es wahr. Ist er trotzdem umgefallen? Eine Variante erlebten Freunde des Skisports an diesem Wochenende: Was passiert, wenn jemand ein Ski-Weltcup-Rennen gewinnt, und im Fernsehen ist (live) davon nichts zu sehen? Gab es trotzdem einen Sieger? Televisionär bedient wurden von den Damen-Rennen aus Lake Louise nur jene, die auf die ORF-TVthek auswichen. Für viele Skifans, die klassisch linear fernsehen, ein schwacher Trost. Auch eine unglückliche Optik: Die Herren-Bewerbe liefen, wenn es das Wetter zuließ, wie gewohnt in ORF 1.

Warum die Skirennen im Fall einer leidigen Winter-WM in Katar nicht auf ORF Sport+ eine Heimat finden, erklärt die veraltete Hermetik im ORF-Gesetz, für Zuschauer bleibt es davon unbenommen unerklärlich.

An der Quote liegt die Verbannung übrigens nicht: Mehr als 700.000 Seher der Lake Louise-Bewerbe in der Vorwoche sind respektabel – übrigens im Hauptabend von ORF 2, was wiederum viele ORF 2-Seher auf die Palme brachte, die zurecht auf die sendertypische Programmmelange pochten.

Schlager schlägt Damen-Rennen

Für ORF 1 ist Skisport überlebenswichtig. Umso unangenehmer ist die Situation, aus der es offenbar keinen anderen Ausweg gab. "Die Entscheidungen, wann diese Events stattfinden, liegen außerhalb des Einflussgebiets des ORF", heißt es auf Anfrage. Versuche, Startzeiten entsprechend anzupassen, seien erfolglos geblieben. Am Freitag war es wiederum eine ARD/ORF-Hauptabendschlagershow mit Florian Silbereisen, die sich nicht verschieben ließ. Am Samstag war "in Memoriam" für die verstorbene Christiane Hörbiger wichtiger. Und als hätte es noch mehr gebraucht, störten auch technische Probleme den Ski-Genuss über die TVthek: Verzögerte Ausstrahlungen und Probleme mit der Zeitnehmung lieferten die Bewerbe aus Übersee. Im Rennen um die Aufmerksamkeit sind die Ski-Damen an diesem Wochenende unterlegen.

Ein schlechter Lauf

Leicht wäre es, die Causa als Lappalie abzutun. Doch sie passt unleugbar ins Bild. Unverhofft rutschte der ORF in diesen Wochen in eine finanzielle Krise, die Hand in Hand mit einer legitimatorischen einhergeht. Roland Weißmanns Erpressungsversuch – mehr Geld oder weniger Leistung – ist wirtschaftlich nachvollziehbar, im diplomatischen Kommunikationsspiel mit der (zahlenden) Öffentlichkeit hingegen ein Reinfall. Der Chef wirkt schwach, auch weil der politische Rückhalt aktuell seine Punzierung nicht wert zu sein scheint.

Das Ski-Dilemma ist eine Metapher für die aktuelle Unmöglichkeit, es allen recht zu machen. Das gilt für Weißmann und mehr noch für Medienministerin Susanne Raab. Beide scheinen vor den aktuellen Monsteraufgaben die Augen zu verschließen – in der Hoffnung, das nicht passiert, was man nicht sieht.