Mit dem Wirtschaftsstandort Österreich geht es weiterhin bergab, so die Erkenntnis des Genfer World Economic Forum (WEF). Im neuesten Wettbewerbs-Ranking verlor die Republik zwei Plätze und liegt nun unter 140 untersuchten Ländern auf dem 23. Rang. "Diese Entwicklung entspricht dem in den letzten Jahren beobachteten Wachstumsrückstand", teilte dazu am Mittwoch Wifo-Chef Karl Aiginger mit.
Sein Tipp an die Regierung: "Nach Jahren des Krisenmanagements sollte wieder verstärkt die Standortqualität in den Mittelpunkt der österreichischen Wirtschaftspolitik rücken." Hilfreich könnte dabei ein Blick über die Grenze sein - denn einmal mehr hat die Schweiz das Ranking gewonnen. Der wichtigste Wirtschaftspartner Österreichs, Deutschland, hat es immerhin auf Platz vier geschafft. Und auch der südliche Nachbar Italien hat zugelegt. "Unter den europäischen Ländern verbesserte sich nach den Strukturreformen der letzten Jahre insbesondere das Ranking für Italien", so das Wirtschaftsforschungsinstitut.
Hypo-Schulden und zu wenig Breitband
Ausschlaggebend für das weitere Abrutschen Österreichs waren demnach weniger die Ergebnisse der Managerbefragung als die vom WEF gesammelten makroökonomischen Indikatoren. So verlangsamte sich in Übereinstimmung mit dem geringen Wirtschaftswachstum der letzten Jahre das Marktwachstum. Negativ wirkte sich laut Wirtschaftsforscher auch die von den Kosten der Abwicklung der Hypo Group Alpe Adria AG geprägte Neuverschuldung aus. Zurückgefallen sei Österreich auch bei Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere bei der Durchdringung mit mobilem Breitband. Dabei rühmte sich Österreich lange Zeit der Mobilfunk-Kaiser von Europa zu sein.
Aber es gibt auch Lichtblicke: "Vor allem Verbesserungen in der Verfügbarkeit qualifizierten Personals in Forschung und Technik. Mit dem 37. Rang wird dieser Indikator aber noch immer sehr kritisch eingeschätzt. Deutlich besser wird mit dem 8. Rang die Innovationskapazität der Unternehmen selbst beurteilt", verkündete das Wifo.
Ein widersprüchliches Bild zeigt sich bei der Effizienz des Arbeitsmarktes. "Mit dem 40. Rang schneidet Österreich gemessen an diesem Teilindex besonders schlecht ab. Neben den hohen Lohnnebenkosten bewertet das WEF z. B. das System der Lohnverhandlungen negativ", so das Wifo. Dies ist insofern brisant als gerade die Herbstlohnrunde der Metaller gestartet hat - mit einem veritablen Streit zwischen den Sozialpartnern.
Wifo fordert Reformen
Fazit der Experten des Wifo: "Es ist eine Mahnung an die Wirtschaftspolitik, nach Jahren des Krisenmanagements die Aufmerksamkeit wieder vermehrt auf strukturelle Fragen der Wettbewerbsfähigkeit und Standortqualität zu richten." Österreich müsse in den Bereichen Forschung und Umwelt zu einer Vorreiterstrategie zurückkehren, die Versäumnisse hinsichtlich Schulreformen und Vorschulerziehung aufarbeiten, die Effizienz des öffentlichen Sektors steigern und den Faktor Arbeit nachhaltig entlasten.
Gestern hatten die Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS verlauten lassen, dass die Wirtschaft wieder an Schwung gewinnt. Heuer werden 0,7 Prozent reales Wachstum erwartet. Für 2016 ist der Optimismus noch größer: Das Wifo rechnet dann mit 1,4 Prozent BIP-Plus, das Institut für Höhere Studien (IHS) mit 1,6 Prozent. Beim Wifo sind das um 0,1 Prozentpunkte mehr als im Juni, beim IHS um 0,2 Punkte weniger.
Die Arbeitslosigkeit dürfte aber dennoch nächstes Jahr weiter steigen - trotzdem hält Aiginger einen weiteren Flüchtlingszustrom für verkraftbar. 30.000 zusätzliche Kräfte im Jahr wären kein Problem, wenn es eine Strategie dafür gebe, meinte er gestern. Ende August waren 384.585 Menschen ohne Job, Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft wiesen mit plus 20,5 Prozent einen besonders hohen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf, während sie bei Inländern um 9,2 Prozent zunahm.
Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner meinte heute zum Rückfall im Ranking: "Die Konjunktur kommt zwar langsam wieder in Fahrt, aber wir haben nach wie vor ein Wachstums-, Struktur- und Vertrauensproblem. Genau dort müssen wir ansetzen, um Österreich mit Strukturreformen und dem notwendigen Optimismus wieder nach vorne zu bringen."